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Channel: Seite 384 – Unser Havelland (Falkensee aktuell)
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Waldaktionstag 2019: Dem Nauener Stadtforst setzt die Trockenheit arg zu!

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Zwei extrem trockene Jahre in Folge sorgen dafür, dass es dem deutschen Wald sehr schlecht geht. Das war Anlass genug für den Nauener Stadtförster Thomas Meyer, zu einem „Waldaktionstag“ einzuladen. In einem symbolischen Akt sollten junge Bäumchen mitten im Nauener Stadtforst gegossen werden. Die teilnehmenden Bürger wurden passend dazu aufgefordert, Gießkannen mitzubringen.

Die Resonanz aus der Bevölkerung überraschte Bürgermeister Manuel Meger sehr: „Im letzten Jahr waren wir noch zu zweit unterwegs“. Dieses Mal konnten am 14. August bis zu 60 Gießkannen am Treffpunkt gezählt werden – mit den passenden Personen. Auch die Landtagskandidaten der Region waren gekommen, um sich selbst ein Bild vom Zustand des Waldes zu machen. Und der ist bedrohlich.

Stadtförster Thomas Meyer: „Bei den großen Eichen rollen sich bereits die Blätter ein, Äste fallen herunter. Um Anpflanzungen zu schützen, könnten wir natürlich das Rehwild reduzieren. Aber gegen die Trockenheit haben wir kein Gegenmittel außer Regen, da würden auch Förderungen nichts helfen. Der Nauener Stadtforst ist 1.100 Hektar groß, er reicht bis nach Alt-Brieselang. Früher konnte ich nie im Wald unterwegs sein, ohne mir an verschiedenen Stellen die Füße naßzumachen. Die Sorge brauche ich inzwischen nicht mehr zu haben – es ist staubtrocken. Und das bis tief in den Boden hinein.“

Der Stadtförster lotst die Bürger durch den Wald und bittet sie darum, doch einmal die verschiedenen Baumarten zu zählen. Am Ende kommt es zu diesem Ergebnis: Der Nauener Stadtwald ist besonders artenreich. Zehn verschiedene Baumarten werden festgestellt, darunter die Eiche, die Rotbuche, die Kiefer, die Lärche, die Fichte, die Douglasie, die Birke und der Bergahorn. Meyer: „Wenn Sie ansonsten in Brandenburgs Wäldern unterwegs sind, dann sehen sie immer nur drei Baumarten. Zehn Arten sind schon super, denn diese Biodiversität sorgt dafür, dass der Wald robuster und widerstandsfähiger wird. Denn alle Baumarten haben mit Trockenheitsschäden zu kämpfen.“

Die Teilnehmer lernen auf dem 1,5 Kilometer langen Rundgang mitten im tiefen Wald so einiges. So trägt die Rotbuche zurzeit ganz besonders viele Bucheckern. Meyer: „Die Buche merkt, dass es ihr ans Leder geht und sie kurz vor dem Ende steht. Sie schaltet auf Verjüngung, steckt keine Energie mehr in die Blätter und produziert ganz viele Samen, um auf diese Weise weiterzubestehen. Wir nennen das eine starke Mast.“

Fichte und Lärche werden vom Borkenkäfer drangsaliert. Der Stadtförster schält bei einem Nadelbaum ein Stück Rinde ab. Darunter sind Larven, Puppen und Käfer in großer Anzahl zu sehen. Thomas Meyer: „400 Käfer reichen aus, um einen Baum zu töten. Die Fichten bei uns im Wald haben 90 Jahre alles ausgehalten, jetzt kommt eine Extremsituation – und es ist vorbei. Normalerweise kann ein gesunder Baum den Borkenkäfer leicht abwehren. Bohrt der sich durch die Rinde, produziert der Baum Harz und schließt so das Loch und tötet den Käfer. Aber bei der andauernden Trockenheit kann der Baum keinen Harz bilden und ist den Käfern ausgeliefert.“

Und er zeichnet ein drastisches Bild: „Die Bäume sind oben noch grün und wissen gar nicht, dass sie unten schon tot sind. Wir können die vom Borkenkäfer befallenen Bäume nur schnell mit dem Harvester fällen und verarbeiten. Das Problem ist dabei: Ich werde das Holz gar nicht mehr los. Seit dem Sturm Xavier ist der Markt übersättigt, ich bekomme für das Holz nur noch ein Drittel von dem Preis, den ich vor zwei Jahren hatte. Und laut Waldgesetz muss ich den Bestand ja auch wieder aufforsten. Setzlinge sind auf dem Markt dank der hohen Nachfrage aber deutlich teurer geworden. Bei den Neupflanzungen habe ich 25 bis 30 Jahre keinen Ertrag, dafür aber die ersten acht Jahre deutliche Kosten. Es kostet etwa 5.000 bis 10.000 Euro, um einen Hektar Wald wieder aufzuforsten. Wir Förster werden erschlagen vom Berg der Arbeit, der da auf uns zukommt. Es wird deutschlandweit ein Jahrzehnt dauern, bis wir den Wald wieder so aufgeforstet haben, wie es sein soll. Vorausgesetzt, wir haben zehn normale Jahre mit viel Regen. Ist das kommende Jahr wieder so trocken, dann kann ich noch einmal neu pflanzen.“

Angesichts des staubigen Waldbodens, der vielen hängenden Blätter, der rissigen Baumrinde und vieler weiterer Anzeichen sinkt die Stimmung bei den Teilnehmern des Waldaktionstages deutlich. Thomas Meyer: „Was wir gerade erleben, das ist das Waldsterben 2.0. Ich sehe aber, dass das Bewusstsein dafür langsam in der Öffentlichkeit ankommt. Hoffnung ist natürlich auch da: Die Bäume würden sich sehr freuen, wenn es ab morgen bis Weihnachten durchregnen würde. Leider sind auch die Winter viel zu trocken. Denn in den Wintermonaten füllt sich das Grundwasser auf. Selbst die Tiefwurzler im Wald haben zurzeit keine Chance darauf, mit den Wurzeln ins Wasser zu gelangen.“

Probleme haben auch die durch den Sturm Xavier vereinzelnen Bäume, die nun isoliert auf kleinen Lichtungen stehen. Bei 40 Grad Sonne im Sommer fehlt ihnen die kühlende und beschattende Wirkung der Baumnachbarn – und sie sterben den Zelltod. Thomas Meyer: „Die Kiefer, das ist unser Pionierbaum. Die Kiefer kommt mit ganz vielen Katastrophen bestens zurecht. Wenn die schon Probleme bekommt, dann weiß man, da ist etwas faul im Wald.“

Mit Sorgenfalten schaut der Stadtförster auch auf seinen Eichenbestand. Knapp fünf Hektar stehen da im Wald – mit Bäumen, die an die 95 Jahre alt sind. Thomas Meyer: „Die Eichen könnten bis zu tausend Jahre alt werden, das sind also ‚junge Erwachsene‘ bei uns im Wald. Viele Bäume sind oben schon kahl, von ihnen werden es nicht alle durch das Jahr schaffen.“

Immerhin: Am Ende des Waldaktionstages wurde doch noch ein kleines symbolisches Zeichen gesetzt. Die Nauener Feuerwehr hatte einen großen Metalltrog in den Wald gestellt und ihn mit frischem Wasser gefüllt. So konnten die Bürger ihre Gießkannen füllen und den kleinen Setzlingen auf einer Lichtung wenigstens ein paar Liter kühlendes Nass spendieren. Stadtbrandmeister Jörg Meyer: „5.000 Liter Wasser haben wir dabei.“

Was von diesem Wasser nicht in den Trog passte, schickten die Feuerwehrkameraden mit dem Löschschlauch im großen Strahl in Richtung Natur.

Ein Tropfen auf den heißen Stein? Sicher. Aber immerhin hatten die Teilnehmer des Waldaktionstages den Eindruck, wenigstens eine Kleinigkeit zum Erhalt des Nauener Stadtforstes beigetragen zu haben. (Text/Fotos: CS)

Dieser Artikel stammt aus „FALKENSEE.aktuell – Unser Havelland“ Ausgabe 162 (9/2019).

Der Beitrag Waldaktionstag 2019: Dem Nauener Stadtforst setzt die Trockenheit arg zu! erschien zuerst auf FALKENSEE.aktuell.


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