Fast hat es den Anschein, als hätte sich die Schule als Institution schon lange nicht mehr wirklich weiterentwickelt. Während die Digitalisierung im normalen Leben dank Smartphone längst in jeder Hosentasche angekommen ist, wird in der Schule noch immer mit Kreide auf der Tafel geschrieben und müssen die Kinder jeden Morgen dicke Bücher in die Klasse tragen. Wo bleibt denn da der nächste Schritt, das Umdenken in Richtung Bits & Bytes? Langsam scheint aber doch noch Bewegung in die Angelegenheit zu kommen.
Der erste richtig große Baustein der digitalen Revolution im schulischen Sektor nennt sich Schul-Cloud. Der Da-Vinci-Campus in Nauen hat eine solche Schul-Cloud bereits, das Marie-Curie-Gymnasium in Dallgow-Döberitz auch, und sogar die Menschenkinder-Grundschule in Schönwalde-Glien ist angeschlossen.
In ganz Brandenburg gibt es 51 Schulen, die am Pilotprojekt Schul-Cloud teilnehmen. Am 30. September ist auch das Vicco-von-Bülow-Gymnasium in Falkensee offiziell dazugekommen. Stolz konnte Schulleiterin Anka Bullerjahn das Schild mit dem Titel „Schul-Cloud Brandenburg – Wir sind Projektschule“ an die Schulfassade schrauben. Am Vicco-von-Bülow-Gymnasium wurde die vom Hasso-Plattner-Institut entwickelte Schul-Cloud bereits am 1. August installiert – und zum Schulstart nach den Ferien in Betrieb genommen. Kai Neuse ist der Medienbeauftragte der Schule. Er sagt: „Wir sind jetzt etwa sechs Wochen im System.“ Wir, das sind acht Lehrer und sämtliche Schüler der Sekundarstufe II. Sie sammeln nun Erfahrungen mit der Schul-Cloud und geben ihre Erfahrungen an die Entwickler weiter.
Die Schul-Cloud bietet alle ihre Inhalte dezentral an. Nach dem Motto „Bring your own device“ kann theoretisch jeder angemeldete Teilnehmer mit dem Handy, einem Tablet, einem Notebook oder einem Desktop-PC auf die Inhalte der Cloud zugreifen. Im System lassen sich gut geschützt Dateien hinterlegen und gemeinsam bearbeiten, Nachrichten austauschen, (demnächst) Termine verwalten oder Stundenpläne einsehen. Schulbuch-Verlage wie Westermann und Cornelsen arbeiten daran, ihre Lehrbücher in digitaler Form in die Cloud zu stellen, sodass man sie irgendwann gar nicht mehr in der Papierversion benötigt.
Das Projekt Schul-Cloud wurde 2016 ins Leben gerufen. Eine erste Pilotphase startete im Juni 2017 für 27 Schulen aus dem sogenannten MINT-EC (Verein mathematisch-naturwissenschaftlicher Excellence-Center an Schulen e.V.). Seit Mai 2018 wird die Cloud sämtlichen 300 MINT-EC-Schulen angeboten. Ziel soll es sein, die Cloud in vier bis fünf Jahren ganz in die Verantwortung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) zu übergeben, das sich dann um die Lizenzierung an alle Schulen kümmern kann. Die Idee dahinter ist es, dass die Cloud landesweit in allen Schulen zum Standard wird.
Das Vicco-von-Bülow-Gymnasium stolpert bei der Inbetriebnahme der Schul-Cloud zunächst über ganz irdische Probleme. Schulleiterin Anka Bullerjahn: „Wir haben inzwischen ein vom Digitalpakt gefördertes WLAN an der Schule. Wir können es aber nicht benutzen, weil wir eine stärkere Anbindung an das Internet benötigen. Wenn bei uns eine ganze Schulklasse gleichzeitig ins WLAN geht, dann bricht es schon zusammen. Der Digitalpakt fördert aber nur Invistitionen auf dem Schulgelönde, nicht aber davor. Wir bräuchten ein schnelles Glasfaser-Kabel für Highspeed-Internet vor unserer Schule, damit wir wirklich durchstarten können.“
So kann die schöne Schul-Cloud zunächst nur eingeschränkt genutzt werden – etwa an den großen Desktop-Rechnern im Computer-Kabinett der Schule. Lehrerin Kathy Kramer ficht das nicht an. Sie mag die Schul-Cloud und setzt sie sehr gern ein. Den Grund für den Enthusiasmus sieht man in ihrem Spanischunterricht. Alle Schüler können auf dem Bildschirm die gleiche Seite des Spanischbuchs aufschlagen und lesen – niemand muss sich mehr melden, weil er das Buch Zuhause vergessen hat. Die benötigten Unterrichtsmaterialien wie etwa Vokabellisten konnte Kathy Kramer bereits Zuhause vorbereiten – sie stehen „just in time“ bereit und lassen sich Zeile für Zeile auf den Bildschirm holen. Bei der Gruppenarbeit können alle Schüler gleichzeitig etwas in den Workspace schreiben – und die Lehrerin sieht genau, wer was beigesteuert hat. Am Ende der Stunde wird das digitale Tafelbild in der Cloud eingefroren. In der nächsten Stunde kann so einfach an Ort und Stelle weitergemacht werden.
Kathy Kramer: „Über das System kann ich sogar die Hausaufgaben der Schüler entgegennehmen oder die ebenfalls mit in die Cloud eingebundenen Eltern zum nächsten Elternabend einladen.“
Schulleiterin Anka Bullerjahn: „Die Schul-Cloud erleichtert die Kommunikation und die Vernetzung untereinander. Wir können auch Gruppen mit anderen Schulen bilden und so über die Cloud Informationen austauschen.“
Kathy Kramer: „Da wir noch in der Pilotphase sind, arbeiten wir aber mit doppeltem Boden – also weiterhin auch mit dem Schulbuch und dem Mitschreibeheft.“ Anka Bullerjahn findet das gut: „Was man noch mit der Hand geschrieben hat, lernt man einfach viel besser.“
Am Ende wäre es der Traum der Schule, mit Tablets zu arbeiten. Ein erster Klassensatz iPads wurde bereits mit den Mitteln der Medienfit-Initiative angeschafft. Zurzeit müssen sich immer zwei Schüler einen PC im Kabinett teilen.
Kai Neuse: „Viele Kollegen möchten die Schul-Cloud gern ausprobieren. Nach den Herbstferien wird es außerdem eine große Infoveranstaltung für alle Eltern geben.“ (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „FALKENSEE.aktuell – Unser Havelland“ Ausgabe 164 (11/2019).
Der Beitrag In der Schul-Cloud: Das Falkenseer Vicco-von-Bülow-Gymnasium wird Projektschule! erschien zuerst auf FALKENSEE.aktuell.