Ein Großteil der weißen und braunen Champignons, die in Deutschland in den großen Supermärkten zum Kauf angeboten werden, um am Ende des Tages in der Bratpfanne, auf der Pizza oder im Salat zu landen, wachsen im Nauener Ortsteil Tietzow heran. Vor Ort fabriziert die Dohme-Firmengruppe mit über 200 Mitarbeitern den schmackhaften Pilz – und das rund um die Uhr.
Mit so vielen helfenden Händen gehört Dohme (www.dohmepilze.de), die ihren Hauptsitz seit 60 Jahren in Hessisch Oldendorf haben, mit zu den größten Arbeitgebern im Nauener Einzugsgebiet.
Das war Grund genug für Landrat Roger Lewandowski und Nauens Bürgermeister Manuel Meger, der Pilzfabrik am 14. Januar einen Besuch abzustatten. Gerard van de Wijdeven nahm sich als Managing Director die Zeit, den Besuch durch den Familienbetrieb zu führen, der seit 1996 am Standort zu finden ist: „Unser Betrieb produziert 125 Tonnen Pilze pro Woche. Wir beliefern die Big 5 – REWE, ALDI, LIDL, Edeka und real. Alle unsere Pilze bleiben in Deutschland, wir liefern keine Pilze ins Ausland. Aus Polen und aus Holland wächst uns allerdings eine große Konkurrenz heran.“
Die Dohme Pilzzucht versucht, alle Prozesse vor Ort zu bündeln. Mit Stroh aus der Region, Hühnertrockenmist und Gips entsteht ein Substrat, das mit Hitze so behandelt wird, dass unerwünschte Bakterien und Pilze absterben und nur die Champignons ein optimales Erdreich vorfinden.
Gerard van de Wijdeven: „Wir müssen sehr aufpassen, dass sich keine unerwünschten Pilze oder Bakterien ausbreiten, das kann die ganze Produktion in Frage stellen. In den 80er Jahren hatten es die Pilzzüchter viel mit Viren zu tun, das hat ganze Betriebe zerstört.“
Das Substrat wird mit Getreidekörnern angeimpft, in denen bereits das Myzel des Champignonpilzes sprießt: „Den Pilz können wir nicht vor Ort züchten, er verändert sich zu schnell und entwickelt dann vielleicht Krankheiten oder unerwünschte Eigenschaften. Damit wir immer den gleichen Pilz ernten, kaufen wir die Ansaat in großen Säcken von einem Züchter ein.“
Sieben Tage dauert es vom Animpfen des Substrats bis zur Ernte des Champignons. Der Champignon ist dabei nur der sichtbare Fruchtkörper des weißen Pilzmyzels, welches das gesamte Substrat durchdringt. Gerard van de Wijdeven: „Der Pilz ist so etwas wie der Apfel am Apfelbaum. Pro Tag kann der Fruchtkörper das Doppelte an Gewicht zulegen.“
Die Pilze wachsen in riesigen Hallen auf langen Beeten gleich in mehreren Etagen heran. Jeder Ansatz kann dabei mehrmals nacheinander abgeerntet werden. Die Pilze selbst werden sofort verpackt und weiterverschickt, sodass sie in kürzester Zeit im Supermarkt eintreffen. Das müssen sie auch, denn die weißen, wasserreichen Champignons halten sich nur drei bis vier Tage, die wasserärmeren braunen Varianten können fünf bis sieben Tage überdauern.
Gerard van de Wijdeven: „Wir verpacken die Pilze gleich vor Ort in die Verkaufskörbchen der Supermärkte. Unsere zwölf LKWs liefern die Pilze anschließend direkt in die Zentrallager der Supermärkte.“
Das Zauberwort in der Vermarktung heißt längst auch bei Dohme „bio“: „Im Jahr 2010 haben wir bei Dohme fünf Prozent Biopilze produziert, inzwischen liegen wir bei 20 Prozent. Der Anteil der braunen Champignons hat sich ebenfalls gewandelt – von fünf Prozent auf 45. Im Biobereich sind längst 95 Prozent aller Pilze braun. Inzwischen nutzen wir für alle Pilze nur noch Bio-Stroh, das wir möglichst direkt aus der Region ankaufen, um unseren CO2-Fußabdruck zu reduzieren. Und wir produzieren Biosubstrate auch für andere Pilzzüchter, die wir sogar in andere Länder exportieren.“
Der Kunde möchte Bioprodukte haben. Er kann sie auch bekommen. Er muss sie aber auch bezahlen. Gerard van de Wijdeven: „Der Biopilz ist im Schnitt fünfzig Prozent teurer als ein normaler Champignon. Allerdings liegen auch seine Produktionskosten um fünfzig Prozent höher. Wir setzen keine Chemikalien oder Dünger ein, es kommen nur Bio-Substrate zum Einsatz und alle Rohstoffe, Substrate und Pilze werden jede Woche auf mögliche schädliche Rückstände hin getestet.“
Ein sehr großes Problem für die Pilzexperten aus Nauens ländlicher Region ist es, passende Arbeitskräfte zu finden. Viele Mitarbeiter und erst recht die 160 Erntefrauen, die die Champignons von Hand mit dem Messer abschneiden, kommen aus Polen.
Gerard van de Wijdeven: „Polen wächst wirtschaftlich sehr schnell, sodass viele Polen lieber Zuhause einer Arbeit nachgehen. Vor Ort konkurrieren wir mit vielen anderen Arbeitgebern. Um für die Arbeitnehmer interessant zu bleiben, zahlen wir zum Mindestlohn eine Prämie. Aber es gibt Zeiten im Sommer, da haben wir kaum genug Arbeitskräfte, um die Pilze zu ernten. Wir sind ein sehr arbeitsintensiver Betrieb. Mitarbeiter werden in der Substratproduktion, in der Pilzproduktion, bei der Pilzernte, bei der Verpackung und im Vertrieb benötigt.“
Vor allem bei der Pilzernte, die einen Großteil aller Arbeitskräfte bündelt, soll deswegen eine Wende eingeläutet werden: „Wir sind mit unseren Möglichkeiten am Ende angekommen. Zusammen mit zwei weiteren Firmen arbeiten wir deswegen an einer eigenen Robotertechnik. Ziel soll es einmal sein, dass Roboter die Pilze ernten und sie mit dem Laser abschneiden und in die Erntekörbe legen.“
Wie das funktionieren soll bei den in alle Richtungen aufschießenden Pilzen, die oft auch große, ineinander verwachsene Nester bilden, das kann man sich jetzt noch gar nicht vorstellen.
Ein Werksverkauf wurde früher einmal in Tietzow angeboten, den gibt es aber nicht mehr. So bleibt nur der Gang in den nächsten Supermarkt, um Champignons aus Tietzow zu verkosten. (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „FALKENSEE.aktuell – Unser Havelland“ Ausgabe 167 (2/2020).
Der Beitrag Bei Tietzow in den Pilzen: 125 Tonnen Pilze produziert Dohme in der Woche! erschien zuerst auf FALKENSEE.aktuell.