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Channel: Seite 384 – Unser Havelland (Falkensee aktuell)
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Neue Sternfahrt: Die Bauern wehren sich gegen neue Düngeverordnung!

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Am 26. November rollten die Landwirte aus ganz Deutschland in ihren Traktoren über die Autobahnen bis direkt nach Berlin vor das Brandenburger Tor. Geplant hatte diese Sternfahrt mit anschließender Demonstration die frisch gegründete Bauern-Organisation „Land schafft Verbindung“. Die Forderung der vereinten Bauern: Redet mit uns und nicht über uns. Bindet uns als Experten mit in die Entscheidungsprozesse ein!

Eine neue Düngeverordnung sorgt nun für erneuten Unmut der Bauern. Am 17. Januar riefen die Brandenburger Landwirte – parallel zum Start der „Grünen Woche“ – zu einer erneuten Sternfahrt auf. Das Ziel – der Ernst-Reuter-Platz im Zentrum von Berlin.

Die Landwirte drängten auf drei Routen in die Hauptstadt. Im Havelland trafen sich die Bauern an der Total-Tankstelle in Nauen, um anschließend über die B5 nach Berlin zu drängen.

FALKENSEE.aktuell sprach mit Dirk Peters, Geschäftsführer der Agro-Farm Nauen. Drei seiner Traktoren schlossen sich der Sternfahrt an.

Lieber Herr Peters, wenn Sie an den 26. November denken, was fällt Ihnen da ein?

Dirk Peters: „Das war eine extrem emotionale Erfahrung. Da gab es ein sehr starkes Zusammengehörigkeitsgefühl aller teilnehmenden Landwirte. Man hatte sich vorher noch nie gesehen oder kennengelernt – und hatte doch das Gefühl, als würde man sich bereits seit hundert Jahren kennen. Auch war es völlig egal, ob man von einem kleinen Öko-Gut oder von einem großen Betrieb kommt, ob man Wessi oder Ossi ist – wir alle sprachen an diesem Tag mit einer Stimme. Die Bauern wurden an diesem Tag sichtbar für die Bevölkerung. Am Tag danach habe ich Anrufe von der Handwerkerschaft aus Nauen bekommen. Die fanden die Aktion super und haben gesagt, beim nächsten Mal machen sie auch mit. Die Auflagen werden ja auch für sie immer komplizierter.“

Wie ist die Regierung nach der ersten großen Demo vor dem Brandenburger Tor auf die Bauern zugegangen?

Dirk Peters: „Wir sind ganz optimistisch nach Hause gefahren mit dem Versprechen der Politiker, dass man uns anhören wird. Man hat anschließend ein bisschen versucht, mit uns Bauern zu sprechen. Es gab im Dezember einen runden Tisch. 40 Verbände waren eingeladen, um im Kanzleramt mit Kanzlerin Angela Merkel und der Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner zu sprechen. Das Ergebnis: ‚Land schafft Verbindung‘ und der Bauernverband sollten ein eigenes Konzept erarbeiten, das aufzeigen soll, welche Wege sich die Landwirte in Sachen Düngeverordnung und Grundwasserschutz vorstellen können. Die nötigen Ideen sind da, das Konzept kann Ende Januar vorgelegt werden.“

Das hört sich doch gut an.

Dirk Peters: „Ja, bis dahin hörte sich das gut an. Dann wurde Anfang Januar plötzlich ein Referentenentwurf für eine neue Düngeverordnung vorgestellt. Das Bundeslandwirtschaftsministerium plant, diese neue Düngeverordnung bereits im Mai 2020 in Kraft treten zu lassen. Für diese Düngeverordnung wurden wir Bauern wieder nicht angehört. Wir finden, das ist enttäuschend. Es ist sehr frustrierend. Wir empfinden es so, dass die Versprechen der Politiker uns gegenüber nicht eingehalten wurden. Noch enttäuschender ist für uns die Aussage, dass dieser Entwurf alternativlos ist. Man sieht also gar keinen Diskussionsbedarf mehr.“

Ist denn die neue Düngeverordnung für die Landwirte so problematisch?

Dirk Peters: „Ja, das ist sie. Die neue Verordnung ist für uns existenzbedrohend. Die EU verlangt von uns eine ‚gute landwirtschaftliche Praxis‘. Die neuen Rahmenbedingungen geben das aber gar nicht her.

Es geht hier um die sogenannten roten Gebiete in Deutschland, die eine erhöhte Nitratbelastung haben. Im Havelland betrifft dies 2013 Hektar. Hier darf nicht mehr so viel Stickstoffdünger in den Boden ausgebracht werden. Wir sprechen hier nach der neuen Verordnung von einer Ausbringung 20 Prozent unter Bedarf. Das bedeutet in unseren Augen, dass der vorhandene Stickstoff im Boden nicht mehr ausreicht, um die gewünschte Ertragsmenge und auch die Qualität auf den Feldern zu erzeugen. Der Weizen hat dann vielleicht keine Backqualität mehr, sondern taugt mitunter nur noch als Tierfutter. Die Bußgelder steigen auch deutlich an. Bei einem Verstoß kommen sehr hohe Strafen auf die Landwirte zu.“

Aber ist es nicht wichtig, die EU-Ni­tratrichtlinie künftig einzuhalten, um die Böden zu entlasten?

Dirk Peters: „Die alte Düngeverordnung von 2006 wurde ja erst im Jahr 2017 noch einmal deutlich verschärft. Wir Landwirte würden gern sehen, dass die Auswirkungen dieser erst zwei Jahre zurückliegenden Verschärfung zunächst einmal wissenschaftlich analysiert und ausgewertet werden. Ich meine, viele Betriebe haben diese Verschärfung umgesetzt und zum Teil auch in neue, teure Technik investiert. Und jetzt gibt es schon wieder eine Veränderung. Wir brauchen zum Wirtschaften aber eine verlässliche Größe – gerade nach den drei wirtschaftlich sehr schlimmen Jahren, die hinter uns liegen. Zurzeit haben die meisten Betriebe Angst vor Investitionen, weil sie nicht wissen, wo der Weg in Zukunft langgehen wird.

Hinzu kommt, das wir Landwirte uns wünschen, dass es eine deutschlandweit einheitliche Verfahrensweise beim Messen des Nitrats gibt – mit deutlich mehr Meßpunkten. Wir wünschen uns auch, dass die Wissenschaftler viel stärker in den Prozess mit eingebunden werden, sodass wir klare und fundierte Werte erhalten, die dann auch wissenschaftlich sauber ausgewertet werden. Wir Bauern gehen den Weg zu mehr Umweltschutz doch gern mit, aber er muss wissenschaftlich durchdacht und für die Landwirte im Rahmen des finanziell Möglichen gegangen werden.

Stirbt die Landwirtschaft in Deutschland aufgrund immer höherer Restriktionen, dann müssen wir in Zukunft unsere Lebensmittel aus dem Ausland importieren. Das wäre aus vielen verschiedenen Gründen völlig kontraproduktiv.

Hinzu kommt, dass die neue Düngeverordnung nicht dem Bürokratieabbau dient, sondern noch mehr Bürokratie erzeugt. Die Aufzeichnungspflicht der tatsächlichen Düngung wird noch einmal verschärft. Da muss ich für jeden Acker erst den Taschenrechner herausholen. Soll ich dafür extra noch jemanden einstellen? Übrigens ist der Düngerverkauf in Deutschland nach der Düngeverordnungs-Novelle von 2017 bereits deutlich eingebrochen und zurückgegangen. Das zeigt: Wir Bauern haben reagiert.“

Warum betrifft die neue Sternfahrt nach Berlin am 17. Januar nur das Bundesland Brandenburg?

Dirk Peters: „Jedes Bundesland denkt sich dieses Mal eine eigene Protestaktion aus. Es gibt Bundesländer, da werden die Bauern im Traktor im Schneckentempo über die Autobahn fahren. An anderer Stelle finden sich die Landwirte vor den Großmärkten ein, um mit den Verbrauchern ins Gespräch zu kommen. In Brandenburg haben sich die Landwirte zur Sternfahrt nach Berlin entschieden. Wir rechnen mit 300 bis 500 Traktoren. Treffpunkt ist in Nauen an der Tankstelle.“

Wie kommt es, dass Sie nicht wieder zum Brandenburger Tor fahren?

Dirk Peters: „Es gibt eine Gegenbewegung zu unserer Demonstration mit dem Namen ‚Wir haben es satt‘, die gegen Ackergifte und für mehr Tierwohl demonstriert. Die waren schneller mit der Anmeldung der Demonstration. So blieb uns nur der Ernst-Reuter-Platz und die Fahrt zur Goldelse, also zur Siegessäule.“

Gibt es denn schon erste Signale aus der Politik?

Dirk Peters: „Aus Bayern hören wir, dass sie im Bundesrat der neuen Düngeverordnung nicht zustimmen möchten. Aus Nordrhein-Westfalen heißt es, dass das Messstellennetz überprüft werden soll. Wir verzeichnen erste, kleine Erfolge.“

Was passiert denn, wenn auch auf die zweite Sternfahrt niemand so richtig reagiert?

Dirk Peters: „Wir stehen mit dem Rücken an der Wand, es gibt keine Alternative zu einem produktiven Dialog mit der Regierung. Ich merke allerdings in den Whats-App-Chats, über die alle Aktionen organisiert werden, dass die Wut schwelt. Ich hoffe sehr, dass alles friedlich bleibt. Wir brauchen nun dringend einen klar vorgegebenen Weg und eine Strategie für die Zukunft.“ (Text/Fotos: CS)

Junge Landwirte fürchten um ihre Zukunft:
Vanessa Niggl & Daniel Huschke

Auch die jungen Landwirte nehmen an der Sternfahrt nach Berlin teil. Sie sehen ihre Zukunft gefährdet. Daniel Huschke (24) von der Landwirtschaft Huschke aus Seeburg und Vanessa Niggl (28) von der Agro Uetz-Bornim in Potsdam waren schon bei der ersten Sternfahrt mit dabei – und stiegen auch bei der erneuten Fahrt in ihre Traktoren.

Daniel Huschke: „Ich möchte später einmal den Betrieb der Familie übernehmen. Die stetig zunehmenden Auflagen machen das sehr schwer. Ich möchte als Landwirt ernstgenommen werden.“

Vanessa Niggl: „Der Zusammenhalt der Bauern ist super. Man merkt aber auch in Gesprächen mit Freunden und Bekannten, dass die Aktionen etwas bringen und das unsere Stimme gehört wird. Ich bin also voll motiviert und denke, auf eine andere Weise wird es leider nicht funktionieren. Die Hoffnung ist noch da, dass sich etwas ändert. Ich bin optimistisch.“

Auf Facebook wird heftig diskutiert:
Pro und Contra Bauernstreik

Das Thema „Bauern-Sternfahrt“ polarisiert. Niemanden ist es egal, ob die einheimischen Landwirte protestieren – es gibt in den sozialen Netzwerken fast nur Pro oder Contra. Auch auf der Facebook-Seite von FALKENSEE.aktuell wurde die neuerliche Sternfahrt intensiv kommentiert.

Stephan S.-S.: „Wird am Freitag wieder gegen die verschärfte Düngemittelverordnung und dafür, mehr Gift auf den Feldern einsetzen zu dürfen, demonstriert?“
Thomas T.: „Die machen wenigstens was!“
Andrea W.: „Zum Freitag, die haben sie ja nicht mehr alle … für NIX! Fahrt in Brüssel vor!“
Joachim H.: „Nur Lärm und Gestank!“
Onkel L.: „Finde die Bauern gehen viel zu selten auf die Barrikaden.“
Karla S.: „Tolle Aktion. Meine Gedanken gehören Euch. Macht weiter so, bis sich was ändert. Aber achtet unbedingt auf Eure Sicherheit. Wir wollen doch niemand verlieren.“
Jennifer Q.: „Bei der letzten Demo dieser Art wurden rote Ampeln ignoriert und andere Verkehrsteilnehmer gefährdet! Wäre toll, wenn es möglich ist, eigene Interessen nicht über die Sicherheit im Straßenverkehr zu stellen!“
Steffi L.: „Wenigstens ihr habt nen Arsch in der Hose. Prima. Weiter so!“
Norbert W.: „Das ist der ERNST-REUTER-Platz – ihr solltet lieber den Bundestag zustellen, statt der arbeitenden Bevölkerung das Leben schwer zu machen.“
Samanta J.: „Sehr, sehr geil! Die einzigen, die den Arsch in der Hose haben und nicht nur reden! Könnte sich ganz Deutschland eine Scheibe von abschneiden!“
Rainer H.: „Ich finde es eine Frechheit, sich gegen das Einschränken von Giftpanschereien zu wenden. Fühle mich von diesen sogenannten Bauern verarscht!“
Dirk U.: „Die ersten, die für ihre Zukunft kämpfen.“
Sebastian K.: „Ihr macht es genau richtig, kommt gut durch, ich hoffe, ihr erreicht auch bald Euer Ziel, was ihr verfolgt.“
Kati S.: „Für mich nicht nachvollziehbar, da verstopfen und verstinken die Giftpanscher schon wieder die Berliner Straßen. Eine Frechheit, sie sind es doch, die unser Grundwasser verseucht haben, die weiterhin Glyphosat, Herpezide und Pestizide unbegrenzt weiter einsetzen wollen, sie verseuchen mit ihrem uneinsichtigen Demos unsere Straßen, wie primitiv ist das denn?“

Der Beitrag Neue Sternfahrt: Die Bauern wehren sich gegen neue Düngeverordnung! erschien zuerst auf FALKENSEE.aktuell.


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