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Channel: Seite 384 – Unser Havelland (Falkensee aktuell)
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Weiße Fahne: Bürgermeister Bodo Oehme kapituliert vor Corona-Verordnungen!

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Genug ist genug. Fast zweieinhalb Kilo Verordnungen, Erlässe und Rundschreiben zum Thema Corona haben sich seit letztem März auf dem Schreibtisch von Bodo Oehme angesammelt. Das sind alles Anweisungen, die der Bürgermeister von Schönwalde-Glien lesen, verstehen, interpretieren und rechtskonform umsetzen muss. Nun soll er es auch noch ermöglichen, dass sich alle Bürger seiner Gemeinde einmal in der Woche auf eine Corona-Infektion hin testen lassen können. Das war passend zum angekündigten Starttermin 8. März nicht umsetzbar: Bodo Oehme hisste die Weiße Fahne vor dem Rathaus.

Bodo Oehme, Bürgermeister von Schönwalde-Glien, muss am Ende das auf lokaler Ebene umsetzen, was die große Politik beschließt. Das Problem aus seiner Sicht: „Am Mittwoch sitzen die Politiker von Bund und Ländern zusammen. Am Freitag verkündet das Land vor der Presse, was zu tun ist. Wir von der Verwaltung holen uns diese Informationen selbst am Wochenende aus dem Internet, damit wir überhaupt wissen, was wir am Montag umsetzen sollen.“

Bodo Oehme knallte am 12. März ein gewaltiges Paket Papier auf den Tisch. Es bestand aus über 2.500 Blatt eng bedrucktem Papier: „Das ist nur ein Ausschnitt aus den vielen Verordnungen, Erlassen und Rundschreiben zum Thema Corona, die mich in einem Jahr seit dem 13. März 2020 erreicht haben. Das ist eine Flut von Erlassen, die ich umsetzen muss, während die Hälfte meiner Mitarbeiter im Homeoffice arbeitet. Dabei ist es so, dass wir im Rathaus all diese Corona-Aufgaben noch neben unserer normalen Arbeit umsetzen müssen, denn die läuft derweil einfach weiter. Alle Planverfahren laufen weiter, alle Fristen ebenso. Wir müssen schließlich im Rathaus die rechtsstaatliche Grundordnung aufrecht erhalten. Dabei ist später jedes Verfahren einklagbar, wir dürfen keine Fehler machen. Später fragt niemand mehr danach, ob es während der Entscheidungsphase eine Corona-Pandemie gegeben hat oder nicht. Wir sind seit dem März letzten Jahres im Dauerstress.“

Klarer Fall, da fühlte sich jemand von der großen Politik im Stich gelassen. Und zwar so sehr, dass Bodo Oehme am 12. März die Weiße Fahne vor dem Rathaus Schönwalde-Glien hisste. Das war natürlich ein rein symbolischer Akt. Aber für viele Staatsbedienstete in den Verwaltungen und Schulen sprach er so einmal aus, was eigentlich alle denken! Bodo Oehme: „Wir möchten ja gern alles umsetzen, was beschlossen wird. Ich bitte nur darum, dass wir vorher die Zeit bekommen, um die Verordnungen auch tatsächlich realisieren zu können. Bei einigen der von uns umzusetzenden Maßnahmen fehlen klare Verweise.“

Das Faß zum Überlaufen brachte die Anweisung, allen Bewohnern der Gemeinde Schönwalde-Glien einmal in der Woche einen Corona-Test zu ermöglichen. Bodo Oehme: „Wir sollten die Tests ja bereits seit dem 8. März anbieten, haben davon aber selbst erst am 9. März erfahren. Wir wissen aber gar nicht: Welche Tests sind überhaupt zugelassen und wie bekommen wir die?“

Am 8. März sollten die Gratis-Corona-Tests starten, am 9. März wurde die Gemeinde informiert

Inzwischen steht fest: Der Landkreis kümmert sich um die Tests, die Gemeinde stellt das Testzentrum und kümmert sich darum, freiwillige Helfer anzuheuern. Aber, so sagt Bodo Oehme: „Das kam so in der Bevölkerung nicht an. Am 8. März standen die ersten Bürger vor dem Rathaus und wollten sich sofort testen lassen. Ich musste sagen: Wir können das noch gar nicht umsetzen.“

Zumal der Bürgermeister auch noch nicht weiß, wie sich das Testversprechen der Bundesregierung überhaupt realisieren lässt: „Ich bin Kaufmann, ich kann ja rechnen. In einem Testzentrum können wir an einem Tag 220 Menschen testen. Ich habe aber gegenwärtig über 10.100 Bewohner in Schönwalde-Glien. Wie viele Tage brauche ich also, um alle Bürger zu testen? Oder anders herum: Wie viele Testzentren benötige ich da wohl? Zumal die Bürger ja pro Woche mindestens einen neuen Test in Anspruch nehmen dürfen. Diese Rechnung geht für mich nicht auf.“

Was wünscht sich Bodo Oehme also von der Politik? Er sagt: „Wie oft sitzen wir da und überlegen uns z.B. zusammen mit den Kita- und Schulleitern, was da wohl von uns gewollt wird. Ich möchte, dass die Politik vor einem neuen Erlass prüft: Ist das zu leisten? Und können das die Menschen draußen vor Ort auch tatsächlich in der genannten Zeit umsetzen? Alle Leute in den Verwaltungen, Institutionen, Kindertagesstätten und Schulen stehen seit einem Jahr Woche für Woche vor einer Riesenherausforderung, die sie sehr gut meistern, meinen Dank dafür. Irgendwann muss man sich aber fragen: Ist das auch umsetzungsfähig?“

Nun wehte die Weiße Fahne vor dem Rathaus und machte zumindest für kurze Zeit darauf aufmerksam, dass man eine Gemeinde mit all der zusätzlichen Corona-Arbeit auch erschlagen kann.

Bitte auch an die Unternehmer denken

Bodo Oehme brach auch eine Lanze für die Unternehmer: „Ich erinnere nur an den Veranstalter, der bei uns in Grünefeld immer das Musik-Festival ‚Nation of Gondwana‘ organisiert. Der hat mehrere Kneipen in Berlin, die musste er die ganze Corona-Zeit über geschlossen halten. Wie viele Firmen werden pleite gehen, wenn sie nicht bald ihre Hilfen bekommen und wieder öffnen dürfen? Da kommt eine große Welle an Unternehmenspleiten auf uns zu.“ (Text/Fotos: CS)

Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 181 (3/2021).

Der Beitrag Weiße Fahne: Bürgermeister Bodo Oehme kapituliert vor Corona-Verordnungen! erschien zuerst auf FALKENSEE.aktuell.


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