Der Ölkäfer, auch Blasenkäfer oder Maiwurm genannt, hat es in diesem Jahr wirklich schwer. Im Jahr 2020 wurde das fingerlange Tier noch zum „Insekt des Jahres“ gewählt. In diesem Jahr füllt er auf einmal die Gazetten und Magazine von der BILD bis hin zum Spiegel. Gewarnt wird vor einem Käfer, der lebensgefährlich giftig ist, den man nicht einmal anfassen darf und den man sofort melden soll. Wir raten zu mehr Gelassenheit.
Giftige Tiere gehen immer. Nachdem die Aufregung um die aus dem Süden eingewanderte Nosferatuspinne langsam nachgelassen hat, kommt nun der einheimische Ölkäfer zu großer Medienaufmerksamkeit. Unisono titeln große Titel voller Panik(mache): „Sein Gift kann tödlich sein: Gefährliches Insekt breitet sich in Gärten aus!“
Tatsächlich ist der einheimische Schwarzblaue Ölkäfer (Meloe proscarabaeus) gefährdet, er steht auf der Roten Liste. Er ist demnach weit davon entfernt, in großen Mengen aufzutreten. Die meisten Menschen werden ihn tatsächlich noch nie gesehen haben. Der Käfer, der bis zu drei Zentimeter lang werden kann, sehr plump über den Boden krabbelt und nur von Mai bis Juni zu sehen ist, ist aber – insofern sind die Meldungen nicht falsch – tatsächlich giftig.
Dr. Hannes Petrischak, Leiter Naturschutz in der Heinz Sielmann Stiftung und ausgewiesener Insektenexperte mit mehreren Buchveröffentlichungen, weiß: „Die schwerfälligen Schwarzblauen Ölkäfer schützen sich wie viele weitere Arten dieser Käferfamilie mit dem Gift Cantharidin vor Fressfeinden. Fühlen sie sich bedroht, scheiden sie aus ihren Gelenken ölige Tröpfchen aus, die diesen Stoff enthalten. Diese können mit einiger Verzögerung unangenehme Hautreizungen hervorrufen, aber dafür muss man die Käfer schon in die Hand nehmen und nachdrücklich ärgern. Das ist dennoch nicht lebensbedrohlich. Man sollte bei Kontakt mit der Flüssigkeit die betreffenden Hautpartien einfach sofort mit kaltem Wasser abspülen.“
Die Ölkäfer sind nicht aggressiv, sie fliegen nicht, sie beißen nicht, sie stechen nicht. Sie sondern nur bei für sie bedrohlicher Berührung ein paar Tröpfchen Körperflüssigkeit mit giftiger Beimengung aus. Nichts anderes tut übrigens auch der Marienkäfer, der ebenfalls ein wirksames Gift in seinen Körperflüssigkeiten aufweist. Wer den Ölkäfer einfach ignoriert und seiner Wege ziehen lässt, wird niemals Probleme mit seinem Gift bekommen.
Im Süden hat man die Wirkstoffe der Ölkäfer-Familie früher als Aphrodisiakum mit sehr schmerzhaften Nebenwirkungen eingesetzt. Es heißt außerdem, dass im alten Griechenland Exekutionen statt mit dem Schierlingsbecher auch mit dem Ölkäfer durchgeführt wurden. Dr. Hannes Petrischak: „Gefährlich könnte der Umgang mit unserem heimischen Ölkäfer nur werden, wenn man die sehr unangenehm schmeckenden Käfer verschlucken würde. Es ist aus jüngerer Zeit bislang kein solcher Fall bekannt.“
Tatsächlich lohnt es sich, sich lieber mit der spannenden Lebensweise der Ölkäfer zu beschäftigen. Die Weibchen lassen in ihrem Körper zurzeit viele tausend Eier heranreifen, sodass der Körper zum Platzen gespannt aussieht. Diese Eier werden in sandige, trockene Böden abgelegt. Erst im nächsten Frühjahr schlüpfen die Larven. Sie klettern auf Blüten und warten auf Solitair-Wildbienen, um in deren Bruthöhlen getragen zu werden. Hier machen sie sich über die angehäuften Pollenvorräte für den Bienennachwuchs her. Die Larve überwintert, erst im Jahr darauf schlüpft der Käfer, der bodennahe Pflanzenteile frisst.
Dr. Hannes Petrischak: „In der Döberitzer Heide kommt mit dem Kurzhalsigen Ölkäfer (Meloe brevicollis) sogar eine extrem seltene Art vor, die deutschlandweit nur noch in wenigen Heidegebieten nachgewiesen werden kann.“ (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 207 (6/2023).
Der Beitrag Tödlich giftig? Der Ölkäfer ist nicht so gefährlich, wie es in den Medien heißt! erschien zuerst auf Unser Havelland (Falkensee aktuell).