Wie geht es eigentlich nach der Schule weiter? Welche Ausbildungen oder Studiengänge gibt es in der Region? Der Landkreis Havelland möchte den Schülern der Jahrgangsstufen 9 bis 13 gern die Möglichkeit geben, sich bereits vor dem letzten Schultag umfassend zu informieren. Am 14. März fand deswegen die 12. „Börse für Ausbildung und Studium“ im MAFZ statt. 1.653 angemeldete Schüler wurden mit extra angemieteten Bussen zur Börse gefahren. Hier warteten in diesem Jahr 108 Aussteller auf den potenziellen Nachwuchs.
Ganz egal, ob es um die Verwaltung der Stadt Falkensee, die Havelländische Eisenbahn AG, die Havelland Kliniken oder das Finanzamt Nauen geht: Überall werden händeringend Mitarbeiter gesucht. Da der Markt wie leergefegt ist und es überall an fertig ausgebildeten Fachkräften mangelt, gehen die Behörden, Institutionen und Firmen zunehmend dazu über, ihre zukünftigen Mitarbeiter selbst auszubilden.
Ganz in diesem Sinne bekommt eine Veranstaltung vom Landkreis Havelland (www.havelland.de) immer mehr Rückenwind – die „Börse für Ausbildung und Studium„. Sie wird traditionell einmal im Jahr im März veranstaltet – und zwar immer in der großen Halle im Erlebnispark Paaren. In diesem Jahr fand die Börse bereits zum 12. Mal statt.
Die Börse richtet sich gezielt an die Schüler der Jahrgangsstufen 9 bis 13. Die entsprechenden Schulen im Havelland konnten sich auf freiwilliger Basis für die Börse anmelden. In diesem Fall wurden die Schüler mit dem Bus abgeholt und in der Schulzeit zur Messe gefahren. 1.653 Schüler fanden so den Weg nach Paaren. 108 Aussteller vom Hauptzollamt Potsdam über die Bundespolizeiakademie bis hin zur RBB Rinderproduktion Berlin-Brandenburg hatten ihre Stände zum Teil sehr aufwändig ausgestattet, um das Interesse der minderjährigen Besucher auf sich zu fokussieren.
Bevor die Börse um neun Uhr in der Früh mit den ersten frisch eingetroffenen Schülern gestartet wurde, eröffnete Landrat Roger Lewandowski die Veranstaltung vor Vertretern der einzelnen Aussteller. Er zog zunächst ein äußerst positives Fazit: „Das Havelland hat sich in den letzten Jahren wirklich toll entwickelt. Natürlich sind wir sehr stark von der boomenden Logistikbranche geprägt worden. Aber das ist nur eine Seite der Medaille. Das Rückgrat unserer Wirtschaft sind weiterhin die mittelständischen Betriebe, die sich bei uns sehr gut etabliert haben. Uns ist es aber auch gelungen, Industrie und Gewerbe auf einem sehr hohen Niveau ins Havelland zu holen. Es zeichnet sich ab, dass dies auch in Zukunft weiterhin Schwung aufnehmen wird. Stolz dürfen wir auf unseren Bahntechnologie-Campus in Elstal sein, in dem wir ganz besonders hoch qualifizierte Berufe ausbilden werden. Auch in Premnitz passiert so manches. Der Ort hat sich zu einem Standort entwickelt, der vor allem die Umwelttechnologien anzieht. Darüber hinaus reden wir im Havelland auch sehr viel über moderne Umwelttechnologien wie etwa den Wasserstoff. Und das Thema Rechenzentren ist ja inzwischen auch in aller Munde.“
All die regionalen Unternehmen vom BioBackhaus in Wustermark über die Perwenitzer Fleisch- und Wurstwaren und den HavelPort in Wustermark suchen dringend nach Azubis für ihre offenen Ausbildungsstellen. Ist die „Börse für Ausbildung und Studium“ dafür ein wichtiger Puzzlestein?
Landrat Roger Lewandowski: „Es ist für uns ganz besonders wichtig, unsere jungen Bewohner im Havelland zu halten. Die Börse soll bereits den Schülern aufzeigen, wie viele verschiedene und auch hochwertige Angebote wir direkt in der Nachbarschaft haben. Die Börse dient dazu, die besondere Vielfalt an möglichen Berufen im Havelland aufzuzeigen. Wir machen den Schülern deutlich, dass man sehr gut im Havelland bleiben und leben kann und hier auch eine berufliche Perspektive findet. Unser Ziel ist es, den jungen Leuten einen Kompass in die Hand zu geben, damit sie die verschiedenen Richtungen kennenlernen, in die sie gehen können.“
Auf der Börse hatten u.a. Firmen wie der BSG Tiefbau aus Falkensee, die HAW Havelländische Abfallwirtschaftsgesellschaft aus Nauen, die Barmer aus Falkensee oder die Nagel Group Logistics aus Wustermark ihre Stände aufgebaut. Roger Lewandowski: „Klappern gehört eben zum Handwerk. Kommunikation ist der Schlüssel zum Erfolg. Viele junge Leute informieren sich gern im Internet und auf Social Media. Aber der persönliche Kontakt ist am Ende eben doch unverzichtbar.“
Auffallend war, dass die Stände intensiv mit kleinen Give-aways aufwarteten. Es gab Kugelschreiber, Zollstöcke, Kühltaschen, Strohhüte, Gummibälle und tausend Dinge mehr. Bei vielen Schülern weckte dies die Leidenschaft: Mitunter fanden sie es wichtiger, kostenlose Gimmicks wie bunte Sonnenbrillen, Lenyard-Bänder, Schlüsselanhänger oder Fettstifte für die Lippen einzusammeln, als vor Ort am Stand das Gespräch zu suchen.
Dirk Ziehm, Olaf Kreuschner und Andreas Giede von der Innung des Bäcker- und Konditorenhandwerks Havelland hatten da schon eine bessere Idee. Sie verteilten lieber leckere Butterstullen vom selbstgebackenen Brot und boten Kekse und Streuselkuchen an. Da sprach das Produkt der eigenen Arbeit für sich – und weckte sofort die Neugierde. Olaf Kreuschner von der Konditorei Kreuschner: „Wir suchen für unser Handwerk ganz dringend junge Leute, die Bäcker werden oder das Konditorenhandwerk erlernen möchten. Auch für den Verkauf suchen wir immer Mitarbeiter. Wir haben bereits darüber nachgedacht, auf der nächsten Börse Tortenrohlinge auszustellen, die von den Schülern verziert werden können. Das könnte ein erster Impuls dafür sein, vielleicht eine Ausbildung zum Konditor zu absolvieren.“
Einer, der ebenfalls mit einem eigenen Stand vor Ort war, war Christian Dorfmann. Er betreibt einen EDEKA in Ketzin sowie den kleinen Altstadt-Markt „nah und gut“ und das „Dorfmann’s Funkstadt Café“ in Nauen. In der Ackerbürgerstadt entsteht auch gerade ein extrem moderner und nachhaltig konzipierter EDEKA-Zukunftsmarkt, der nach der Fertigstellung von Christian Dorfmann geführt wird: „Tatsächlich suchen wir für alle unsere Standorte nach neuen Auszubildenden. Der große Vorteil bei uns ist, dass man jederzeit den Arbeitsplatz wechseln kann – vom kleinen ’nah und gut‘ ins Café und von hier aus später vielleicht in den Zukunftsmarkt. Es gibt gute Aufstiegschancen, weil wir uns immer weiterentwickeln. Ganz in diesem Sinne sind unsere Auszubildenden von heute die Führungskräfte von morgen. Und man muss auch ganz klar sagen, dass sich das klassische Verkäuferbild immer weiter verändert. Unsere Mitarbeiter sortieren nicht nur Kartoffeln ein, sondern kümmern sich auch um die Betreuung unserer Social-Media-Kanäle.“
Etwas weniger rosig sah es beim Stand „AGRARaktiv“ aus, dem „Kompetenzzentrum Landwirtschaft und ländlicher Raum“. „AGRARaktiv“ sieht sich als „Kontaktstelle zwischen den Schulen und den Unternehmen der Grünen Wirtschaft“. Vorgestellt wurden vor Ort vierzehn grüne Berufe vom Gärtner über den Forstwirt, den Pferdewirt und den Revierjäger bis hin zum Milchtechnologen – natürlich nicht nur für die Männer, sondern auch für die Frauen.
Antje Schulze, stellvertretende Vorsitzende im Havelländer Landfrauenverein, war vor Ort, um eine Einschätzung zu geben: „Die Landwirtschaft hat es schwer, uns fehlen die Nachwuchskräfte. Man muss natürlich auch sagen, dass es bei uns immer viel körperliche Arbeit und wenig Geld gibt. Man muss schon ein Faible für die Natur und für biologische Kreislaufsysteme haben, also für das Thema Landwirtschaft brennen. Dafür besteht dann aber die Chance, Betriebe aktiv mitzuentwickeln, sie in die Zukunft zu führen und sie ggf. auch zu übernehmen, weil es für viele Betriebe schwierig ist, einen Nachfolger zu finden. Die erneuerbaren Energien sind eine große Chance für die Landwirtschaft. Zurzeit gibt es einen echten Generationenwechsel, viele junge Leute gelangen nun in wichtige Führungspositionen. Sie kämpfen für ihre eigene Zukunft, hier ist gerade ein ganz besonderer Zusammenhalt zu spüren.“
Auch Havelbus mit seinen Standorten in Falkensee, Nauen und Rathenow war mit vor Ort. Dieses Mal ohne einen eigenen Bus, dafür aber mit dem Angebot, noch eine Ausbildung zum Berufskraftfahrer oder zum Mechatroniker (m,w,d) anzufangen. Andreas Plessow, bei Havelbus für die Auszubildenden zuständig: „Unsere Ausbildungen beginnen am 1. August. Wer sich jetzt beeilt, hat noch eine Chance darauf, einen Platz zu erhalten. Unser Plus ist, dass wir im Landkreis bestimmt das Unternehmen mit dem größten ökologischen Fußabdruck sind. Denn wer ökologisch unterwegs sein möchte, der fährt natürlich mit dem Bus. Im Herbst erwarten wir unsere ersten E-Busse, die komplett mit Strom angetrieben werden. Das ist für viele junge Leute ganz besonders interessant.“
Gerade im Bereich Umwelt konnte die Messe gleich mehrere Unternehmen in den Mittelpunkt stellen. So auch die Firma Grunske Metall-Recycling aus Germendorf. Das Unternehmen bietet ein professionelles Umwelt- und Entsorgungsmanagement. Es verwertet Schrott aller Art, kauft Buntmetalle an und demontiert komplette Industrieanlagen.
Mario Lehmann: „Ab August bieten wir einen ganz neuen Ausbildungsberuf an – den zum Umwelttechnologen für Kreislauf- und Abfallwirtschaft (m,w,d).“
Drei bis vier Plätze stehen in diesem Ausbildungsbereich bei Grunske pro Jahr zur Verfügung, die Dauer der Ausbildung beträgt drei Jahre. In diesem Beruf geht es vor allem um die Themen Natur und Technik. Die Auszubildenden schnuppern in alle Bereiche einmal herein und beschäftigen sich u.a. mit der Ballierung, dem Querstromzerspaner, dem Fuhrpark und der Metallverarbeitung. Auch eine Gabelstaplerausbildung gehört mit dazu.
Am Ende der Veranstaltung gab Landrat Roger Lewandowski einen Ausblick in die Zukunft: „Trotz aller Bemühungen, die wir an den Tag liegen, bleiben am Ende noch zu viele freie Ausbildungsstellen unbesetzt. Dazu kann ich nur sagen: Wir sind noch zu sehr auf die klassischen Schulnoten fixiert. Noten sind das eine. Engagement und praktische Fähigkeiten aber das andere. Ich kann nur dazu raten, dass sich die Unternehmen und die zukünftigen Auszubildenden erst einmal im Rahmen eines Praktikums kennenlernen. Oft stellen beide Seiten dabei bereits fest, dass sie sehr gut zusammenpassen – ungeachtet der Noten.“
Die Schüler hatten auf jeden Fall auf der Veranstaltung die Chance, in ihrem jeweiligen Interessengebiet nach passenden Arbeitgebern Ausschau zu halten, um vor Ort das erste Gespräch zu suchen. Dabei konnten auch Praktikumsplätze vereinbart und Bewerbungen übergeben werden. (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 217 (4/2024).
Der Beitrag 12. Börse für Ausbildung und Studium im MAFZ: 108 Aussteller bieten Ausbildung oder Studium! erschien zuerst auf Unser Havelland (Falkensee aktuell).