Das Spandauer Volkstheater Varianta war einmal. Die Theatertruppe ist in letzter Zeit durch schwere Zeiten gegangen. So ist das Gymnasium, unter dessen Dach das Theater mit der eigenen Bühne residierte, aus den alten Mauern in der Carl-Schurz-Straße 59 ausgezogen. Stattdessen ist übergangsweise die Musikschule Spandau eingezogen, die aber aus allen Nähten platzt.
So musste das Theater die eigene Bühne teilen und zudem das Büro und den Garderobentrakt abgeben. Außerdem wurden die Elektrik und die technischen Anlagen auf einen modernen Stand gebracht. Die Theatertruppe hat diese Zeiten nicht unbeschadet überstanden. Heinz Klever hat sich zurückgezogen und widmet sich ganz seinen eigenen Projekten. Übrig geblieben sind am Ende nur die Urgesteine Sonya Martin, André Rauscher und Frank Kallinowski.
Sonya Martin: „Wir haben den kompletten Neuanfang gewagt und den großen Reset-Knopf gedrückt. Wir sind nun das ‚Neue Theater Varianta‘. Das ‚Volk‘ haben wir ganz aus unserem Namen gestrichen, weil da jeder Zuschauer gleich an das alte Volkstheater à la Millowitsch denkt – und das sind wir längst nicht mehr. Außerdem bekommt das Wort ‚Volk‘ zurzeit wieder sehr unangenehme Beinoten, denen wir aus dem Weg gehen wollen. Auch das Wort ‚Spandau‘ haben wir aus unserem Namen genommen – Spandau hat als Bezirk noch nie etwas für uns getan. Wir sind nun ein eingetragener Verein und warten hier nur noch auf die letzten Stempel, um uns e.V. nennen zu dürfen. Als Verein können wir ganz anders agieren und zum Beispiel auch Spenden anders absetzen und einsetzen.“
Nun also ein Verein. Und das, nachdem es das Volkstheater Varianta 50 Jahre lang gegeben hat, davon 40 am aktuellen Standort. Die Vereinsgründung erfolgte aber nicht nur aus finanziellen Gründen. Sonya Martin: „Wir sind schon immer so etwas wie eine permanente Finanzkrise.“
Das Neue Theater Varianta (www.theatervarianta.de) meldete sich Anfang November mit einem neuen Stück zurück. Und das ist keine leichtfüßige Komödie mit Spandauer Lokalkolorit mehr wie in der Vergangenheit, sondern ein ebenso unterhaltsames wie auf mehreren Ebenen funktionierendes und nachdenklich stimmendes Stück, das André Rauscher selbst geschrieben und das er für das Theater als Regisseur inszeniert hat. André Rauscher: „Um spielen zu können, brauchten wir noch mehr Schauspieler. Wir haben eine Anzeige geschaltet und einige Bewerbungen erhalten. Wir haben Tolga Tavan und Julia Schatz ausgewählt. Dass sie von der gleichen Schauspielschule kommen wie ich, das kam mir wie ein Zeichen vor.“
Am Premierenwochenende staunten die jeweils etwa 50 Zuschauer nicht schlecht. Da die große Bühne nach Statikuntersuchungen inzwischen wieder bespielbar ist, aus technischen Gründen aber nur in der vorderen Hälfte ausgeleuchtet werden kann, gab es einen Steg, der das Publikum in zwei Hälften teilte. So konnte das Bühnengeschehen mitten in das Publikum verlagert werden, was natürlich für viel mehr Nähe zu den Schauspielern sorgte – man brauchte eigentlich nur noch die Hand ausstrecken, um sie zu berühren.
Das neue Stück heißt „Fabula Rasa“ – im Dezember gibt es noch eine ganze Reihe Spieltermine. Und darum geht es: Vier Menschen, die sich vorher noch gar nicht kannten, suchen bei einem Sturm Schutz in einer Hütte. Um sich die Zeit zu vertreiben, beschließen sie, spontan eine Art Improvisationstheater zu spielen. Jeder darf sich eine Geschichte ausdenken und die anderen müssen mitspielen. Da geht es hoch her. Etwa weit in die Zukunft, als nach dem Anstieg des Meeresspiegels die letzten Überlebenden auf einem Spandauer Häuserdach auf eine rettende Überfahrt hoffen. Oder in der deutschen Nachkriegszeit, als sich mitten auf einem verlassenen Rangierbahnhof kurz vor Berlin vier äußerst zwielichtige Leute im Nebel treffen. Oder bei der Casting-Show „Spandaus Star“, bei der die Kandidaten im Backstage-Bereich versuchen, sich gegenseitig auszustechen.
André Rauscher: „Durch die Neuorientierung im Varianta habe ich mich plötzlich in der künstlerischen Leitung wiedergefunden. Ein Stück zu schreiben und zu inszenieren, das war etwas ganz Neues für mich. Ich war sehr erleichtert, dass die Zuschauer auf der Premiere so viel Freude an dem Stück hatten.“
Klar muss den Zuschauern vor einem Besuch sein: Das neue Varianta ist nicht mehr das alte. Im neuen Stück geht es sehr intelligent um die ewigen Probleme des menschlichen Miteinanders – etwa um Gier, Neid, Rücksichtslosigkeit. Wie André Rauscher es schafft, das eh schon sehr spannende und mit sehr viel Spielfreude und Ausdruck inszenierte Theaterstück in den letzten Minuten noch auf eine ganz neue Metaebene zu wuchten, das ist grandios. Und lässt den Zuschauer grübelnd zurück. (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel wurde in „FALKENSEE.aktuell – Unser Havelland“ Ausgabe 153 (12/2018) veröffentlicht.
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