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Channel: Seite 384 – Unser Havelland (Falkensee aktuell)
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Scheibes Kolumne: Weihnachten steht vor der Tür

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Es ist schon eine komische Tradition. Da sägt man einen fröhlich im Wald lebenden und Sauerstoff produzierenden Tannenbaum entzwei, stellt ihn sich in der Weihnachtszeit in die Wohnung und schaut ihm dann – festlich mit Lametta und Leuchtkerzen geschmückt – beim botanischen Sterben zu.

Das ist sehr merkwürdig, denn der im 16. Jahrhundert aufgekommene Brauch soll eigentlich in der düsteren Jahreszeit ein Zeichen für neues Leben setzen. Da der Tannenbaum immergrün ist und seine Nadeln nicht abwirft, weckt er in den Häusern die Hoffnung, dass auch im Garten irgendwann das Grün zurückkehrt.

Ich finde diese Theorie mehr als deprimierend. Denn wenn ich den Weihnachtsbaum Anfang Januar „abbaue“ und das ausgetrocknete Skelett auf die Straße zerre, dann verliert er sämtliche fünf Millionen Nadeln auf einen Schlag. Meist so, dass sie mir beim Transport des Baumgerippes fröhlich in den Nacken rieseln – um sich fortan so gut unter der Kleidung zu verteilen, dass ich sie noch Tage später an Orten wiederfinde, an denen niemals die Sonne scheint. Wenn da die alte Das-Grün-kehrt-wieder-Theorie greifen soll, dann würde es bedeuten, dass der Frühling Besseres zu tun hat, als unseren Wohnort zu beehren. Ein Trost ist da nur noch, dass Menschen namens Knut ihren Baum zum Heizen verbrennen oder Elefanten im Zoo den borstigen Baum zum Knabbern verwenden dürfen.

Mich nervt beim Weihnachtsbaum schon der Einkauf. Die ganze Familie drängt bereits Wochen vor Weihnachten auf einen Verkaufsstand, an dem Dutzende Bäume stehen. Ich bin stets für die kniehohe Lösung, weil sie preiswert, schnell geschmückt und rasch entsorgt ist. Aber die Familie will immer den 3-Meter-Baum – und das, wo unsere Decke doch ein gutes Stück niedriger ist. Sodass sich in jedem Jahr die Spitze an unserer Zimmerdecke umbiegt.

Aber wie kann man aus dem Baumkauf solch eine Wissenschaft machen? Da gibt es anscheinend schief gewachsene Stämme, unvollständig gefüllte Etagen, „Löcher“ in der Ansicht und mickrig benadelte Äste. Um den Kauf zu beschleunigen, biege ich mitunter schon einmal den einen oder anderen Ast um, um auf diese Weise eine selbst für mich sichtbare Lücke in einer Etage zu kaschieren. Bevor wir noch zu einem zweiten oder dritten Händler fahren müssen, um den „perfekten“ Baum zu finden!
Unser Weihnachtsschmuck hat sich zum Glück dezimiert, nachdem eine Horde tobender Welpenhunde den Baum umgeworfen hat – und alle aufgehängten Kugeln am Boden zerschellt sind. Aber mir reicht immer schon der Stress, wenn die elektrischen Kerzen endlich perfekt am Baum befestigt sind – und dann ein Lämpchen nicht funktioniert. Bis die Ersatzkerzen im Kellerkabuff gefunden sind, ist Weihnachten schon längst wieder vorbei.

Stress bereitet mir auch das Plastiknetz, das beim Verpacken des Baums für den Transport um die Äste gewickelt wird. Wenn ich den Baum in den Ständer gestellt habe, muss ich das Netz immer mit der Schere vom Baum schälen. Dabei knallen mir zunächst die unter Spannung stehenden Äste ins Auge. Anschließend bleibt in 2,70 Meter Höhe stets ein letzter Rest Netz an der Baumspitze hängen. Mit der Leiter nähere ich mich dann diesen letzten Fitzeln an, reiche mit der Hand aber nicht exakt an die Spitze heran. Oft steht die Chance 50:50, dass ich mit der Leiter in den Baum kippe und alles umreiße. Auf dass auch noch die nachgekauften Baumkugeln zerschellen.

Früher hab ich den Weihnachtsbaum immer gegossen, das habe ich aber längst aufgegeben. Ein Jahr lang habe ich den Baumstumpen nämlich nach bestem Gewissen gewässert. Aber anscheinend habe ich munter daneben gegossen, denn als wir den Baum vor die Tür schleiften, war das Parkett unter der grün-roten Matte, auf die man den Weihnachtsbaumständer stellt, restlos aufgequollen und geschändet. Auch wenn man den Schaden sicherlich nicht noch weiter maximieren könnte: Ohne Wasser fühle ich mich einfach sicherer.

Ich wäre sehr dafür, statt eines Weihnachtsbaums eine Weihnachtspalme zu verwenden. Die könnte das ganze Jahr über stehenbleiben. Für den weihnachtlichen Gedanken reicht es doch völlig aus, wenn man ein paar Kugeln an die Palmwedel klebt. Und dazu leise „HoHoHo“ murmelt. (Carsten Scheibe, Foto: Tanja M. Marotzke)

Dieser Artikel wurde in „FALKENSEE.aktuell – Unser Havelland“ Ausgabe 153 (12/2018) veröffentlicht.

Der Beitrag Scheibes Kolumne: Weihnachten steht vor der Tür erschien zuerst auf FALKENSEE.aktuell.


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