Der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I wollte damals gern wissen, wie seine Untergebenen über die Staatspolitik, das Militär und die Religion wirklich dachten. So führte er an seinem Hof in Königswusterhausen das „Tabakskollegium“ ein. Bei reichlich Bier und rauchendem Pfeifenkraut war es allen geladenen Gästen erlaubt, frei heraus die eigene Meinung zu sagen, ohne anschließend am nächsten Tag dafür belangt zu werden.
Solch ein Tabakskollegium findet auch heute noch einmal im Jahr statt – auf der Zitadelle Spandau. Gastgeber des Abends ist stets die Historische Spandauer Stadtgarde (www.stadtgarde-spandau.de), die 1985 gegründet wurde. Der Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, die brandenburgisch-preußische Geschichte des 18. Jahrhunderts neu zu beleben. So schlüpfen die Mitglieder zu den verschiedensten Anlässen in die den Originalen nachempfundenen Uniformen des Füsilier-Regiments von Prinz Heinrich, das als 35. Infanterieregiment der preußischen Armee von 1764 bis 1796 auf der Zitadelle zu Spandau stationiert war. Und nicht nur das: Sie exerzieren mit den originalen Befehlen aus der Vergangenheit und setzen sich auch für die damals geltenden preußischen Werte ein.
Prinz Heinrich (1726-1802) war einer der vier Söhne vom Soldatenkönig. Er stand im Schatten seines Bruder Friedrich des Großen, galt aber als Diplomat, Bauherr und Künstler, vor allem aber als hervorragender Militär. So führte er sein Regiment von seiner Gründung an bis zu seinem Tod 62 Jahre lang. „Auf Befehl des chef d’Regiment, Seiner Königlichen Hoheit, des Prinzen Heinrich“, wurde auch das Tabakskollegium von ihm weiter betrieben.
Die Historische Spandauer Stadtgarde hält diese Tradition weiter aufrecht. Und so luden die Gardisten in ihrer typisch schwefelgelben und blauen Uniform am 2. Februar in den Gotischen Saal der Zitadelle ein. In der Einladung hieß es: „Hierbei steht an die Vereidigung etlicher Füsiliers, Würdigung des Diensteifers sowie weitere Kurzweil. Drei Anker guten Spandauer Biers stehet zur Labung der Gäste frei, ebenso das Kraut für die Piepe.“
Der Einladung zum Tabakskollegium folgten viele bekannte Köpfe aus der Spandauer Politik, aber auch interessierte Gäste und viele Mitglieder ähnlicher Vereine. „Wir sind die Höfische Gesellschaft“, stellte sich etwa eine Dame im wallenden Kostüm vor: „Wir sind die preußische Familie. Ich bin die Königinmutter Sophie Dorothea von Preussen, die Gattin vom Soldatenkönig. Zu meiner Seite sitzt Berthold Bodo Freiherr von Blumberg mit seiner Gattin Beatrix Freifrau von Blumberg.“ Alles klar.
Zu Beginn des Tabakskollegiums nahm die Stadtgarde Aufstellung, während der Kommandeur mit kritischem Auge schaute, dass alles seine Ordnung hat und die Uniformen sitzen: „Und wenn ich jetzt sage – Wegtreten, dann will ich nur noch die Funken stieben sehen von den Nägeln unter euren Sohlen, die auf die Steine knallen.“
Ordnung muss sein, denn kurz darauf öffnete sich die Türe und Prinz Heinrich schritt mit dem Dreispitz auf der grauen Perücke herein, um die Aufstellung seiner Gefolgschaft mit einem kurzen wohlwollenden Nicken abzunehmen.
Ein spannendes Programm wurde den Gästen anschließend geboten, die mit zwanzig Euro für das Essen mit an den langen Tischen Platz nehmen durften. Es gab höfische Musik, frechen Gesang, barocke Tänze, aber auch Reden, Danksagungen und Beförderungen – letztere durchgeführt mit einem Handauflegen auf die geschwenkte Fahne und mit einem kurzen abschließenden Handschlag von Prinz Heinrich höchstpersönlich.
Anschließend servierte das Team von der Zitadellenschänke einen großen Kasslerbraten am Stück mit Sauerkraut-Kartoffelbrei und Graupen – zur Labung der Gäste, die den Braten erst einmal mit geschwungenem Messer in handliche Bissen zerlegen mussten.
Eva-Marie Gelbrich, Marketenderin in der Gefolgschaft von Prinz Heinrich, nutzte in diesem Jahr das Tabakkollegium, um ihren 77. Geburtstag nachzufeiern. Sie erklärte: „Ich bin jetzt seit über 30 Jahren bei der Historischen Spandauer Stadtgarde mit dabei, ich würde in Zukunft gern etwas kürzer treten. Uns fehlt leider der Nachwuchs, bei uns im Verein gibt es nur noch etwa 15 aktive Mitglieder, die gern die Uniform überstreifen – etwa, wenn im Spandauer Brauhaus das Maibock-Fass vom Bürgermeister angestochen wird. Wir alle besitzen eine originalgetreu nachgeschneiderte Uniform, die unser Chef Armin Brenker für uns angefertigt hat. Die Gewänder nähen wir uns selbst. Unsere Ausrüstung ist übrigens alles andere als preiswert, an die 3.000 Euro kostet so eine Ausstattung bestimmt.“
Beim diesjährigen Tabakskollegium blieben leider einige Plätze leer. Was schade ist, da dem Besucher für 20 Euro Essensbeitrag bei Freibier und einem historischen Programm wirklich Kurzweil geboten wurde. Gerhard Hanke, stellvertretender Bürgermeister von Spandau, sagte deswegen auch in seiner Rede „als amtierender Kommandant der Zitadelle“: „Es ist schade, dass nicht noch mehr Spandauer Bürger heute abend den Weg hinauf in die Zitadelle gefunden haben. Beim Tabakskollegium geht es schließlich nicht um den Nationalismus, sondern um die Bewahrung von Traditionen. Wenn Menschen ihre Traditionen verlieren, dann sind das in meinen Augen ganz arme Menschen.“
Freilich hat sich etwas beim Tabakskollegium geändert – im Vergleich zu früher. So dürfen inzwischen auch Frauen an dem Abend teilnehmen und sich an den Gesprächen über Politik, Wirtschaft und Kultur beteiligen. Dafür mussten aber auch in diesem Jahr alle Gäste, die eine der bereitgelegten Pfeifen mit dem spendierten Tabak aus der Berliner Königlich-preußischen Tabakmanufaktur stopfen wollten, den Gang vor die Tür antreten, um das Kraut dort im Freien zu entzünden. Der Tabak wird übrigens weiterhin nach einem alten Geheimrezept von 1724 fermentiert. Man munkelt, er habe schon dem Soldatenkönig und seinen Ministern gemundet.
Am Ende lief Eva-Marie Gelbrich durch die Reihen und bat die Gäste um eine Spende für den guten Zweck. Dafür gab es dann nach Wunsch einen Schnaps oder ein Duftsäckchen mit getrocknetem Lavendel. (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „FALKENSEE.aktuell – Unser Havelland“ Ausgabe 156 (3/2019).
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