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Channel: Seite 384 – Unser Havelland (Falkensee aktuell)
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Wilde Nessel: Braukunst aus Brieselang

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Pia Morgenroth (47) stammt aus Hannover. Seit 2001 lebt sie in Berlin-Zehlendorf. Die ausgebildete Ernährungswissenschaftlerin mit 20 Jahren Berufserfahrung besitzt schon seit vielen Jahren eine Wildkräuterwiese im Brandenburgischen Thyrow, das liegt bei Trebbin: „Das ist ein halber Hektar. Da wächst alles, von der Brennnessel über Gundermann und Girsch bis hin zu Spitzwegerich, Johanniskraut und Löwenzahn. … (ANZEIGE)

… Ich habe irgendwann damit angefangen, die Wildkräuter zu sammeln, um Salben, Tinkturen und Tees aus ihnen herzustellen. Schließlich wussten ja schon ganz früher die Kräuterfrauen, welch faszinierende Wirkung die verschiedenen Kräuter haben. Das Wissen um die Pflanzen in unserer Natur ist uns Deutschen irgendwie über die beiden Weltkriege verloren gegangen. Irgendwann kam ich auf den Gedanken, die Kräuter zu verwenden, um mit ihnen Bier zu brauen.“

Das ist durchaus keine fixe oder spinnerte Idee der Hannoveranerin mit der lockigen Wuschelmähne. Für die alten Germanen war Hopfen nur eine mögliche Zutat, wenn es darum ging, süffiges Bier zu brauen. An die Stelle des heute so bekannten Aromagebers Hopfen durften damals auch noch ganz andere Kräuter aus der heimischen Natur treten.

Pia Morgenroth: „Hopfen hat eine eher beruhigende Wirkung, deswegen werden Hopfentees ja auch so gern eingesetzt, wenn man einmal nicht zur Ruhe kommen kann. Bier trinken wir doch aber oft in Gesellschaft, wenn die gegenteilige Wirkung gewünscht wird. Vielen Kräutern wird seit jeher eine solch belebende Wirkung zugesprochen. Ich habe die Sache sehr ernst genommen, mich mit dem Brauer Ulf zusammengetan, 2017 ein Startup mit dem Namen G‘Bräu gegründet und inzwischen vier Kräuterbiere auf den Markt gebracht. Es ist, so kann man sagen, meine Leidenschaft, mit Kräutern Bier zu brauen.“

Das Wort „Bier“ darf freilich nicht auf den Flaschen prangen. Das ist nur dann erlaubt, wenn das Bier nach dem Deutschen Reinheitsgebot gebraut ist – also mit Hopfen.

Ihre eigene Brauanlage steht nun im Souterrain der Villa Gumpel in Brieselang – direkt unter den Räumlichkeiten des im weiten Umkreis bekannten Ladengeschäfts „Vier Jahreszeiten“. Pia Morgenroth: „Es gibt noch eine zweite Braustätte in Trier, hier kümmert sich der Braumeister Christian um alles. Außerdem lassen wir im neuen CraftZentrum in Spandau brauen. In Brieselang haben wir aber unsere Hauptbraueinheit und auch unseren Hofverkauf. Hier kann man, wenn man aus der Region kommt, unsere Kräuterbiere einkaufen. Wenn wir einmal nicht vor Ort sein sollten, dann auch gern im neuen Café der Vier Jahreszeiten direkt über unserer Braustube.“

Das G‘Bräu kann sich bereits rein von der Optik her sehen lassen. Sehr edel gestaltete Labels fassen die Flaschen mit dem alkoholhaltigen Bier ein, das die Brauereichefin gern als modernes „Craft Beer“ einordnen möchte.

Die erste Sorte nennt sich „Wilde Nessel“. Das ist ein untergäriges Bier mit Brennnessel und Gundermann. Pia Morgenroth: „Die alten Kräuterfrauen haben der Brennnessel eine blutreinigende Detox-Wirkung zugeschrieben, während der Gundermann das Immunsystem stärken soll.“ Das süffige Kräuterbier, das vom Geschmack her sehr nahe am „echten“ Bier dran ist, bringt eine zitronige Note mit. Neben den Kräutern bilden energetisiertes Wasser, Gerstenmalz und Hefe die einzigen Zutaten. Das Bier ist unfiltriert.

Weiter geht es im Angebot mit dem Bier „Stolze Blüte“, das die heimischen Wildkräuter noch um die Holunderblüte ergänzt. Holunder soll nach den alten Kräuterkenntnissen gut bei Erkältungen wirken und fiebersenkend sein. Natürlich schmeckt die Holunderblüte aber eben auch sehr lecker. Ebenfalls zu den untergärigen Lagerbieren gehört das „Schwarze Schaf“ mit Schafgarbe und Beifuss. Diese beiden Naturkräuter sollen nach den Überlieferungen der alten Germanen das Immunsystem stärken und Entzündungsprozesse lindern. Das Bier „Brüllender Bock“ ist stärker eingebrannt und bringt es statt auf 4,9 auf stolze 6,5 Prozent Alkoholgehalt. Es ist sozusagen die Weiterentwicklung vom „Schwarzen Schaf“.

Pia Morgenroth: „Im Sommer werden wir eine Variante von der ‚Wilden Nessel‘ anbieten, die trägt den Namen ‚Betörendes Blatt‘. Das wird dann ein obergäriges Bier sein, das mehr an ein klassisches Hefeweizen erinnert.“

Die Kräuter für ihre Biere stammen schon längst nicht mehr aus dem heimischen Garten der Startup-Gründerin. Schließlich werden inzwischen mehr als tausend Liter pro Monat gebraut – das ist schon eine ganz andere Größenordnung. Die Startup-Chefin kauft die Kräuter inzwischen in einem Biogroßhandel ein. Das ist wichtig, denn die G‘Bräu-Biere haben seit November 2018 auch eine Bio-Zertifizierung. Und können sich auf diese Weise einen weiteren Markt erschließen.

Pia Morgenroth: „Bei meinen Kunden kommt die ‚Wilde Nessel‘ am besten an, sie wird als leicht und süffig beschrieben. Das ‚Schwarze Schaf‘ spaltet hingegen die Geister. Manche finden das Bier sehr medizinisch, es erinnert sie an Hustensaft. Andere sagen, es ist ein echt geiles Zeug. Vor allem Fleischfreunde sagen, es passt sehr gut zu einem schönen Stück Braten.“

Für eine junge Brauerei ist es ja das größte Problem, das eigene Getränk in der Bevölkerung bekannt zu machen. Denn nur eine steigende Nachfrage sorgt dafür, dass das Volumen steigt und die investierten Gelder irgendwann in einem Gewinn münden, der dazu beiträgt, dass alle Beteiligten von dem Bier leben können.

Pia Morgenroth: „Ich bin zufrieden mit der Entwicklung, die das G‘Bräu nimmt. Unser Bier wird bereits auf vielen Festivals und Veranstaltungen ausgeschenkt. Wir sind dieses Jahr beim Baumblütenfest in Werder zu finden und beim Umweltfestival am Brandenburger Tor. Viele Craft-Beer-Geschäfte führen uns, der Einzelhandel entdeckt uns und auch in der Gastronomie und in der Hotelerie können wir langsam punkten. Gern nehmen uns auch Regional-Märkte in ihr Sortiment auf.“

Die Brauerin dachte zunächst daran, dass die Hauptstadt-Clubs ein lohnendes Absatzziel für ihr belebendes Kräuterbier seien, aber das hat gar nicht funktioniert: „Dafür haben wir uns Zielgruppen erschlossen, die hatten wir erst gar nicht auf demSchirm. So lieben viele Frauen, die vorher nie Bier und viel lieber Prosecco getrunken haben, unser Kräuterbier, weil es eher süffig als bitter ist. Und es gibt tatsächlich Bierfreunde mit einer Hopfenunverträglichkeit, die gern auf unsere Kräuterbiere ausweichen. Erstaunt bin ich auch, dass online so viele Anfragen kommen – vor allem aus dem Slow Food Bereich.“

Weitere G’Bräu-Sorten möchte das junge Startup vorerst noch nicht entwickeln. Pia Morgenroth: „Der Handel listet nicht gern so viele verschiedene Produkte von einem neuen Anbieter ein. Wir müssen erst unsere vier Biersorten im Markt etablieren, bevor wir weitere Kreationen vorstellen können. Ich habe mir jetzt vorgenommen, mich noch mehr im Havelland umzusehen, wo wir ja auch brauen, und mich hier regional verstärkt zu vernetzen.“ (Text/Fotos: CS)

Info: G‘Bräu, Pia Morgenroth, Villa Gumpel, Wustermarker Allee 37, 14656 Brieselang, Tel.: 0175 – 6077561, www.gbrau.com

Der Beitrag Wilde Nessel: Braukunst aus Brieselang erschien zuerst auf FALKENSEE.aktuell.


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