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Channel: Seite 384 – Unser Havelland (Falkensee aktuell)
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Erst die Schafe, dann die Menschen: 70 Bürger packten bei Aufräumaktion an Falkenseer Grünzug mit an!

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Für Kathleen Kunath kam bei einer Aufräumaktion in einem Falkenseer Grünzug ein plötzliches Gefahrenmoment dazu: Vor einem aufgeschreckten Wildschwein, das überraschend aus dem Unterholz vorpreschte, musste sie sich hinter einem Baum in Sicherheit bringen. Was war passiert? Zur Vorgeschichte: Am 1. November 2019 brachte Schäfer Olaf Kolecki 70 seiner Schafe und eine Ziege, die sich von ihren wollenen Kollegen nicht trennen wollte, auf den Grünzug direkt an der Kölner Straße Ecke Solinger Straße.

Hier kümmerte sich das natürliche Mäh-Werk im offiziellen Auftrag der Stadt um eine ökologische Landschaftspflege. In eingezäunten Bereichen sorgten Schafe und Ziege dafür, dass Gras, Kräuter und kleine Triebe ganz ohne Maschineneinsatz auf kurz getrimmt wurden. Die biologische Variante: Vorne wurde Gras und anderes Pflanzwerk vertilgt, hinten wurde die Wiese entlängs des Grabens gleich ökologisch perfekt gedüngt.

Olaf Kolecki: „Am 30. Dezember hatten die Schafe ihren Job schließlich vollendet und ich habe sie wieder abgeholt. Ich bin sehr zufrieden mit dem Feedback der Anwohner. Alle fanden es toll, dass die Tiere bei ihnen vor Ort ihrer Arbeit nachgegangen sind, vor allem die Kinder wollten immer wieder ihre Schafe sehen. Das große Interesse der Nachbarn an meinen Tieren ging für mich als Schäfer natürlich runter wie Öl. Es steht in Falkensee zurzeit noch kein Folgeauftrag an. Ich würde es mir aber sehr wünschen, wenn die Stadt Falkensee mit der ökologischen Landschaftpflege fortfahren würde.“

Auf dem Gelände stehen nun aber noch immer mannshohe trockene Staudenzweige der Goldrute in dichten Trauben. Olaf Kolecki: „Diese Stängel sind so hart, da gehen nicht einmal meine Skudden dran.“

Also kommt nun bald das Grünflächenamt der Stadt Falkensee zum Zuge, um das Werk der Schafe zu vollenenden – die Bäume und Sträucher sollen beschnitten und die Staudenhalme abgesäbelt werden.

Das Problem: Mitten in der idyllischen Natur liegt leider der Zivilisationsmüll der letzten Jahre, darunter viele zerbrechliche Flaschen, die unter den Maschinen des Grünflächenamts zerplatzen würden. Das wäre eine Gefahr für die vielen Wildschweine, Füchse und Rehe, die in diesem Areal leben.

Die Lösung: Schnell war klar, dass es vor Ort eine freiwillige Säuberungsaktion der Bürger geben muss.

Partei- und Organisations-übergreifend riefen deswegen Kathleen Kunath (Begegnung in Falkensee e.V.), Annette Heller (CDU Falkensee), Olaf Kolecki (Schäfer), Anne von Fircks (Frationsvorsitzende Bündnis 90/DIE GRÜNEN), Yvonne Scherzer (AG Umwelt/Lokale Agenda 21), Werner Kübler (Urknall e.V.), Ilona Bubeck (Regenbogencafe Falkensee), Harald Petzold (LINKE Falkensee), Günter Wallbaum (SPD Falkensee), Ulf Hoffmeyer-Zlotnik (Seniorenbeirat) und das Jugendforum Falkensee in allen Netzwerken dazu auf, am 11. Januar ab 9 Uhr auf die Wiese an der Kölner Straße zu kommen, um gemeinsam den Zivilisationsmüll einzusammeln.

Am Ende waren es über 70 Bürger, die zu den Greifzangen, Müllsäcken und Müllbeuteln griffen, die extra von der Stadt für die Aktion bereitgestellt wurden. Sogar ein Anhänger wurde herbeigeschafft, um den Müll zu sammeln, der später von der Stadt abgeholt und entsorgt wurde.

Nur einer war schon vorher aktiv. Kathleen Kunath: „Der stellvertretende Bürgermeister Thomas Zylla hat lange mit Müll eingesammelt. Er hat dann die vielen Flaschen ins Auto geladen und sie gleich ins Recycling gebracht.“

Schäfer Olaf Kolecki war übrigens so begeistert vom Tatendrang der Bürger, dass er spontan einen Grill aufstellte und knusprig gebratene Ziegenwurst vom Rost für alle Helfer spendierte. Auch Getränke wurden schnell herbeigeschafft.

Die zahlreichen Helfer waren sich für nichts zu schade. Sie schlugen sich auch mutig ins dichte Unterholz, suchten im übermannshohen Schilf und wagten sich in das mit Ranken verhangene Buschwerk vor, das seit langer Zeit allein von den Tieren bewohnt wird. So wurden ein Fuchs und mehrere Wildschweine aufgescheucht. Sie suchten aber alle nicht die Konfrontation, sondern zogen ebenso eilig wie verwirrt vondannen, um sich an anderer Stelle zu verstecken. Kathleen Kunath: „Das Wildschwein hatte bei unserer Begegnung deutlich mehr Angst als ich.“

Erstaunlich ist, was die sammelwütigen Bürger alles aus dem Erdreich polkten. Gerhard Queitzsch: „Ich habe mehrere Alkoholflaschen gefunden und daneben leere Fläschchen mit Mundspray. Ich denke, da werden Jugendliche Schnaps getrunken haben, um danach ihre Fahne mit dem Mundspray zu überdecken, damit die Eltern nur ja nichts bemerken.“

Im Container landeten sehr schnell verrostete Eisenstangen, alte Paletten, Fahradeinzelteile und viel Plastikmüll. Yvonne Scherzer: „Wir haben viele vergammelte Plastikmüllsäcke gefunden, die man mit Gartenabfällen befüllt einfach ins Unterholz geworfen haben. Hier ist es schwer, die Plastiksäcke aus der Erde zu ziehen. Sie haben sich zum Teil tief in den Boden eingegraben und zerreißen sehr schnell.“

Eingesammelt wurden auch sehr viele schwarze Hundehaufentüten samt Inhalt. Da waren Herrchen oder Frauchen anscheinend zu faul, um sie den ganzen Gassi-Spaziergang mit sich zu führen, und haben sie lieber in der Natur als in der nächsten Mülltonne entsorgt. Hier zersetzen sich die Plastiktüten aber nicht.

Kathleen Kunath: „Mit dieser Aufräumaktion holen wir uns unser Naherholungsgebiet wieder zurück. Es hat Tradition in Falkensee, dass die Menschen zusammenkommen, wenn eine Aufgabe ansteht, die nur gemeinsam bewältigt werden kann.“

Bei so vielen helfenden Händen gab es schon bald ein echtes Luxusproblem: Es gab nach kurzer Zeit mehr Müllsucher als Müll. Das war aber kein Hinderungsgrund: Die Helfer suchten schon bald auf dem nahen Spielplatz, entlang des Fahrradswegs der Sympathie und unter der Brücke der L20 nach weiterem Müll, der achtlos weggeworfen in den Büschen liegt. Sogar die Straßen in der Nachbarschaft wurden mit aufgeräumt, sodass die etwa 70 Helfer in wenigen Stunden ein großes Gebiet bereinigen konnten.

Schäfer Olaf Kolecki: „Ich bin richtig begeistert von der Aktion.“

Kathleen Kunath rief nach dem Erfolg des Reinemachens auf der grünen Aue zu einer Wiederholungstat auf. Am 21. März soll es ein weiteres Bürgeraufräumen gehen, dann aber ohne Schafe als vorgeschalteter Mäh-Trupp: Am alten Falkenhagener See soll aufgeräumt werden.

Olaf Kolecki resümmiert: „Ich wusste nicht, was mich am Grünzug an der Kölner Straße erwartet. Ich habe deswegen meine ältesten Schafe auf die Wiese gestellt. Es ist aber nichts passiert. Es kam kein Wolf, es gab keine Vorfälle mit Hunden und es wurde auch kein Schaf gestohlen. Alle Tiere sind wohlauf. Nur vier Schafe sind inzwischen aus natürlichen Grunden verstorben.“ (Text/Foto: CS)

Dieser Artikel stammt aus „FALKENSEE.aktuell – Unser Havelland“ Ausgabe 167 (2/2020).

Der Beitrag Erst die Schafe, dann die Menschen: 70 Bürger packten bei Aufräumaktion an Falkenseer Grünzug mit an! erschien zuerst auf FALKENSEE.aktuell.


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