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Channel: Seite 384 – Unser Havelland (Falkensee aktuell)
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Kino-Filmkritik: JoJo Rabbit

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„Es ist sicherlich keine gute Zeit, um ein Nazi zu sein“, sagt ein kleiner Junge im neuen Film „Jojo Rabbit“ von Regisseur Taika Waititi („Thor: Tag der Entscheidung“), der auch das Drehbuch für diese Anti-Kriegs-Satire geschrieben hat. Da in Deutschland ganz im Gegenteil wieder exzellente Zeiten für Nazis angebrochen sind, tut ein kleiner, feiner Film wie dieser vielleicht wieder einmal Not, um daran zu erinnern, was wir so lange erfolgreich hinter uns gelassen haben.

Oder um in den Worten von Taika Waititi zu sprechen: „Ich könnte nicht aufgeregter sein, die Nazis und ihre Überzeugungen zu veralbern. Dieser Film wird eine Menge Rassisten anpissen und das macht mich sehr glücklich.“

„Jojo Rabbit“ heftet sich auf die Fährte des 10-jährigen Jojo Betzler (Roman Griffin Davis). Der ist in den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs ein begeisterter Hitlerjunge. Leider fehlt ihm dabei der Mut, um Kaninchen zu töten oder Juden aufzuspüren. Als ihn dann noch eine aus der Hand gerutschte Granate fast umbringt, taugt er nur noch dafür, Propagandazettel an die Wände zu kleben. Doch unverbrüchlich hält er an seinen Nazi-Idealen fest und trägt voller Stolz seine Uniform. Ihm zur Seite steht dabei als unsichtbarer Freund Adolf Hitler (Taika Waititi) höchstpersönlich. Der hat immer einen passenden Rat zur Hand. So könnte man, um etwas zu verbergen, doch einfach das Haus anstecken und es Winston Churchill in die Schuhe schieben.

Jojos Nazi-Welt bekommt Sprünge, als er feststellt, dass seine supercoole und alleinerziehende Mutter Rosie (wunderbar gespielt von Scarlett Johansson) ein jüdisches Mädchen namens Elsa (Thomasin McKenzie) im Haus versteckt. Und das ist kein gedankenlesendes Monstrum, das kleine Kinder frisst, wie die Propaganda sagt.

Eine Stunde und 48 Minuten lang nimmt sich Taika Waititi Zeit, um das auf dem Buch „Caging Skies“ von Christine Leunens basierende Epos auf die Leinwand zu bringen. „Jojo Rabbit“ ist skurril, albern, wunderschön, aufregend, beängstigend und immer wieder gut darin, die Mechanismen und das Auftreten der Nazis zu veralbern. Sam Rockwell als desillusionierter Hauptmann Klenzendorf, Rebel Wilson als Bücher verbrennendes Fräulein Rahm sowie Stephen Merchant als bitterböse lächelnder Gestapo-Hauptmann Deertz sind dabei absolute Traumbesetzungen.

Und gerade dann, wenn man als Zuschauer der Meinung ist, dass alle Nazis ja nur niedliche, dumme Trottel sind, da passiert etwas im Film, das einen förmlich aus dem Sitz hebelt und das Herz zum Stocken bringt. Was einem sofort klarmacht: Die Bedrohung verschwindet nicht, indem man sie veräppelt. Sie ist immer da. Und sie schlägt zu, sobald man sie aus den Augen lässt. Großes Kino. (CS / Bild: Twentieth Century Fox)

Tipp: 5 von 5 Sternen
FSK: ab 16 Jahren
Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=q_icqOP4Kyo

Dieser Artikel stammt aus „FALKENSEE.aktuell – Unser Havelland“ Ausgabe 166 (1/2020).

Der Beitrag Kino-Filmkritik: JoJo Rabbit erschien zuerst auf FALKENSEE.aktuell.


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