Wie sieht es eigentlich in den einzelnen Landkreisen in Brandenburg aus? Wie geht es voran, welche Sorgen gibt es? Um das herauszufinden, besucht die Landesregierung im Rahmen der Reihe „Kabinett vor Ort“ regelmäßig einzelne Landkreise. Am 16. Mai war das Havelland an der Reihe. Auf Schloss Ribbeck tagte die Landesregierung zusammen mit der Landkreisspitze. Ministerpräsident Dietmar Woidke und Landrat Roger Lewandowski leiteten die Sitzung.
Ministerpräsident Dietmar Woidke lobte das Havelland: „Zuzug insbesondere in Berlinnähe, weite Naturlandschaften vor allem im Gebiet der Havel, schöne Ackerbürgerstädte, eine starke Landwirtschaft und wichtige Industriezentren: Der Landkreis Havelland punktet mit einem Mix aus verschiedenen Stärken. Die wirtschaftliche Entwicklung ist gut, die Zahl der Jobs steigt seit Jahren, die Arbeitslosenquote liegt leicht unterhalb des Landeswertes und auch für die Zukunft sind die Prognosen positiv.“
Diskutiert wurden im Rahmen von „Kabinett vor Ort“ sehr viele verschiedene Themen. Dabei ging es etwa auch um das Thema Gesundheit. Der Landkreis ist Träger der Havelland Kliniken mit Standorten in Nauen und Rathenow. In den Kliniken stehen 497 vollstationäre Betten und 79 Tagesklinikplätze zur Verfügung. Bei der vom Gesundheitsminister Karl Lauterbach angestoßene Krankenhausreform sieht die Landesregierung allerdings noch Diskussionsbedarf. Brandenburgs Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher betonte: „Die Krankenhausplanung ist und bleibt Ländersache.“
Ministerpräsident Dietmar Woidke sagte in der Pressekonferenz nach der Tagung klar und deutlich: „Wir möchten alle Krankenhausstandorte in Brandenburg erhalten. Da sind sich die SPD, die CDU und die Grünen einig. Wir brauchen eine gute Versorgung im Landkreis. Ich finde es auch toll, dass der Landkreis Havelland eigene Initiative zeigt und eine Pflegeschule auf den Weg gebracht hat, die sehr gut nachgefragt wird.“
Im Rahmen der demografischen Entwicklung im Landkreis ist das Thema Pflege tatsächlich besonders wichtig. Derzeit sind landesweit mehr als 184.600 Menschen pflegebedürftig. Das sind 30.000 mehr als noch vor zwei Jahren. Mit dem im Jahr 2020 gestarteten „Pakt für Pflege Brandenburg“ wird unter anderem die „Pflege vor Ort“ in den Kommunen mit jährlich zehn Millionen Euro gestärkt.
Festgestellt wurde auch, dass die Land, Forst- und Ernährungswirtschaft noch immer den drittstärksten Wirtschaftsbereich im Havelland darstellt. Das ist in den anderen Kreisen in Brandenburg nicht der Fall. Auf einer landwirtschaftlichen Nutzfläche von fast 90.000 Hektar wirtschaften im Havelland etwa 500 bäuerliche Betriebe aller Größen.
Im Zwischenraum zwischen Gesundheit und Ernährung machte sich die Sozialministerin Ursula Nonnemacher auch für das Projekt „Kantine der Zukunft“ stark. Hier geht es darum, in den Kantinen des Landes in Zukunft gesünderes Essen mit deutlich mehr regionalen Produkten anzubieten.
Die Arbeitslosenquote lag im April im Havelland bei 5,6 Prozent und damit unter dem Schnitt des Landes von 5,9 Prozent und auch leicht unter dem Bundeswert von 5,7 Prozent. Das Havelland weist eine gute wirtschaftliche Entwicklung auf. Das Arbeitsministerium geht in seiner für das Gewerbeflächenkonzept erarbeiteten Beschäftigtenprognose davon aus, dass sich die sehr positive Beschäftigtenentwicklung im Landkreis Havelland bis 2030 fortsetzen wird.
Landrat Roger Lewandowski brach eine Lanze für die Stärkung des ländlichen Raums: „Das ist eines unserer Kernanliegen. Neben der Ausweisung weiteren Baulands und der ärztlichen Versorgung in der Fläche stellt der Ausbau des regionalen Bahnverkehrs einen Schwerpunkt dar. Zusätzlich zur Erweiterung der Angebote auf der Hamburger Bahn sowie der Lehrter Bahn ist uns hierbei die Reaktivierung der Bahnstrecke Wustermark-Ketzin/Havel ein besonderes Anliegen.“
Passend zum Thema Energie konnte der Landrat ordentlich punkten: „Auf der Nauener Platte wird mit Windkraft so viel Energie erzeugt, dass sie uns gar nicht vollständig abgenommen wird. Hier könnte man auch per Elektrolyse Wasserstoff herstellen. Die Wasserstoffwirtschaft ist das Thema der Zukunft, wenn es um die Energie geht. Das Havelland ist ja bereits am HyExpert Wasserstoffprojekt H2VL beteiligt. Wir möchten einen kompletten Wertstoffkreislauf im Havelland realisieren – von der Herstellung des Wasserstoffs über die Verarbeitung bis hin zum Verbrauch. Die Grundidee ist es hier, unsere Havelbus-Busflotte mit Wasserstoff zu betreiben – um hier auch eine Vorbildfunktion für andere abzubilden.“
Das sieht auch Ministerpräsident Woidke sehr positiv: „Die Frage ist doch: Wie schnell können wir klimaneutral werden? Der Landkreis Havelland zeigt mit seinen großen Mengen an erneuerbaren Energien beste Voraussetzungen dafür.“
Ein großes Thema beim „Kabinett vor Ort“ war die Migration. Aufgrund des russischen Angriffskrieges in der Ukraine sowie weltweiter Krisen verzeichnete auch Brandenburg im vergangenen Jahr einen neuen Rekord bei der Zahl der ankommenden Geflüchteten. Nach Angaben der Zentralen Ausländerbehörde (ZABH) des Landes suchten fast 39.000 Menschen hier Zuflucht. Dieses Jahr rechnet das Innenministerium nach bisherigen Prognosen mit knapp 26.000 neu ankommenden Geflüchteten.
Der Landkreis Havelland hat im Jahr 2022 sein Aufnahmesoll um 14 Prozentpunkte übertroffen und insgesamt 2.596 Personen untergebracht. Für das Jahr 2023 beträgt das Aufnahmesoll nach derzeitigem Stand 1.572 Personen. Seit Frühjahrsbeginn gehen die Zahlen der im Land eingetroffenen Migranten wieder nach oben.
Ministerpräsident Woidke: „Das Engagement des Landkreises und seiner Kommunen ist großartig. Ein herzliches Dankeschön dafür. Dabei weiß ich um die Sorgen der Kommunen, diese große Herausforderung zu schultern. Flucht und Migration stellen uns vor große Fragen, die bei uns im Land zu lösen sind. Sehr bemerkenswert fand ich, wie die Menschen mit den Flüchtlingen aus dem Krieg in der Ukraine umgegangen sind: Sie haben nicht nur ihre Herzen, sondern auch ihre Türen geöffnet.“
Landrat Roger Lewandowski: „Wir müssen aufpassen, nicht überfordert zu werden. Es herrscht eine angespannte Stimmung im Landkreis.“
Ministerpräsident Woidke: „Es ist ein gutes Zeichen, dass der Bund den Ländern für dieses Jahr insgesamt zusätzlich eine Milliarde Euro für die Unterbringung und Integration der Schutzsuchenden zur Verfügung stellen wird. Die Landesregierung wird die auf das Land entfallenden etwa 30 Millionen Euro zur weiteren Entlastung der Kommunen nutzen. Zum Gesamtpaket muss aber auch gehören, dass Menschen, die kein Bleiberecht haben, zurückgeführt werden. Auch müssen weitere Staaten als sichere Herkunftsländer anerkannt werden. Andererseits müssten Menschen, die mit Bleiberecht hier leben, dringend die Möglichkeit bekommen, arbeiten zu können.“ Und er ergänzte in der Pressekonferenz: „Die eigentliche Musik spielt auf kommunaler Ebene, hier müssen die Probleme gelöst werden.“
Der stellvertretende Ministerpräsident, Innenminister Michael Stübgen, erklärte: „Der anhaltend hohe Zustrom an Flüchtlingen stellt den Landkreis vor große Herausforderungen. Die gesellschaftliche Unterstützung für die Aufnahme von Menschen in Not ist auch im Havelland groß, wir dürfen sie aber nicht überstrapazieren. Wenn wir die Integrationsbemühungen nicht gefährden wollen, wird es mehr Unterstützung vom Bund und eine deutliche Reduzierung der Zugangszahlen brauchen.“
In der Pressekonferenz sprach Michael Stübgen auch davon, dass „wir in der Flüchtlingsfrage auf immer mehr Widerstand bei den Bürgern, aber auch bei den Kommunen stoßen.“ Er sprach sich dafür aus, lieber „heute als morgen“ die Grenze zu Polen besser überwachen zu lassen, um einer illegalen Migration vorzubeugen und Schleusern das Handwerk zu legen.
Deutlich entspannter und auch positiver sieht die stellvertretende Ministerpräsidentin und Sozialministerin Ursula Nonnemacher das Thema Migration. Sie sagte dazu: „Wir wollen eine neue Qualität der Integration. Dazu gehören u.a. Projekte zum Spurwechsel in Arbeit für geduldete Geflüchtete. Zuwanderung ist eine Chance für unsere Gesellschaft. Brandenburg ist auf ausländische Fach- und Arbeitskräfte angewiesen.“ (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 207 (6/2023).
Der Beitrag Landesregierung zum „Kabinett vor Ort“ im Havelland: Ministerpräsident Dietmar Woidke zu Besuch auf Schloss Ribbeck! erschien zuerst auf Unser Havelland (Falkensee aktuell).