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Channel: Seite 384 – Unser Havelland (Falkensee aktuell)
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Erntegespräch mit Landwirten im Havelland: „Wir wollen unsere Arbeit so machen, wie wir sie gelernt haben!“

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Zu viel Regen, zu wenig Regen – und immer wieder die Bürokratie: Die Landwirte im Havelland haben mit vielen Problemen zu kämpfen, hoffen in diesem Jahr aber doch noch auf eine durchschnittliche Ernte. Beim traditionellen Erntegespräch mit dem Kreisbauernverband Havelland fand der Vorsitzende Dirk Peters von der Nauener Agro-Farm einmal mehr deutliche Worte: „Die Politik lässt uns Bauern langsam sterben.“

Wer mit dem Auto durch das Havelland fährt, saust an blühenden Feldern vorbei. Der Raps steht kurz vor der Ernte, das Korn reift gerade aus und auch der Mais ist schon zu sehen.

Der Blick auf die Felder verspricht dem Laien eine tolle Ernte. Die Wirklichkeit sieht oft anders aus. Um dem Verbraucher mehr von den eigenen Erfolgen und Nöten auf dem Feld zu vermitteln, lädt der Kreisbauernverband Havelland e.V. (www.kbv-havelland.de) einmal im Jahr zu einem Erntegespräch ein, das stets bei einem der beteiligten Landwirte mitten auf dem Feld stattfindet.

In diesem Jahr wurde am 28. Juni als Treffpunkt ein idyllisch gelegener Feldweg mitten an einem Kanal im Friesacker Zootzen vereinbart. Gastgeberin war Annette Brockmann von der Agrargenossenschaft Wutzetz eG. Ihre Uckermark-Rinder grasten friedlich auf der anderen Seite des Kanals.

Ebenfalls für die Landwirte aus dem Havelland mit dabei waren Anne Graichen vom Elfenhof in Wiesenaue und Dirk Peters mit seiner Tochter Stefanie Peters für die Agro-Farm in Nauen. Um die Moderation kümmerte sich Johannes Funke als Geschäftsführer des Bauernverbandes.

Annette Brockmann hält Uckermark-Rinder, darunter 400 Muttertiere mit ihren Nachkommen, die voll ausgemästet werden. Ingesamt sind 1.200 Tiere auf den eigenen Flächen unterwegs. 450 Hektar Grünland bewirtschaftet das Unternehmen, davon werden 300 verwendet, um Grünschnitt zu erzeugen.

Annette Brockmann: „Beim Grünland sind wir feucht aus dem Winter rausgekommen und hatten auch im Frühjahr noch viel Wasser. Wir hatten Anfang Juni einen ersten Schnitt, der qualitativ sehr gut war. Unser Lager ist voll für den Winter. Wir haben 50 Dezitonnen einlagern können, das ist deutlich mehr als im letzten Jahr.“

Die Agrargenossenschaft Wutzetz ist aber auch ein Marktfruchtbetrieb mit 60 Prozent Ackerbau. Vor Ort werden sogar noch Kartoffeln auf 80 Hektar angepflanzt. Annette Brockmann: „Wir sind Roggen-lastig, bauen aber auch Triticale als Kraftfutter, Winter- und Sommererbsen sowie auch ein wenig Weizen an. Beim Roggen und bei der Triticale kam das Wasser im Juni genau richtig. Eine Woche mehr Trockenheit – und das Korn wäre bereits in die Notreife übergegangen.“

Sehr interessant war auch die Vorstellung des Betriebes von Anne Graichen, die mit ihrem Mann Detlef den Elfenhof (www.elfenhof-weiderinder.de) im Nebenerwerb unterhält: „Wir haben 15 Hektar Fläche zur Verfügung. Das ist reines Grünland, wir bauen keine Feldfrüchte an. Wir haben 17 Rinder, das sind reine Fleischrinder. Sechs Rinder werden im Jahr geschlachtet. Das Fleisch gelangt über eine Direktvermarktung zum Kunden, dafür gibt es einen eigenen E-Mail-Verteiler. Ja, wir essen unsere Tiere. Aber bis dahin erfüllen wir ihnen (fast) jeden Wunsch.“

Probleme gibt es auch auf dem Elfenhof. Anne Graichen: „Wir nutzen einen Niedermoorstandort. Unser Boden trocknet entweder aus oder wir saufen ab. Hinzu kommt, dass wir neben eigenem Land auch Pachtflächen bewirtschaften, um Heu zu machen. Pachtflächen müssen aber per Gesetz alle fünf Jahre komplett umgebrochen werden. Das ist eine Katastrophe, da wir immer wieder bei Null anfangen. Auf unseren Dauergrünflächen ist ein regelrechtes Biotop mit vielen seltenen Pflanzen und vielen Insekten entstanden. Hier müssen wir inzwischen nicht einmal mehr düngen. In diesem Jahr haben wir zwei Rundballen Heu pro Hektar geerntet. Ein Rundballen hat etwa 400 Kilo. Sonst sind es aber bis zu 15. Die Trockenheit in Mai und Juni hat uns leider voll erwischt. Wir bekommen unsere Tiere aus eigener Kraft nicht satt und müssen Futter zukaufen.“

Dirk Peters von der Agro-Farm in Nauen sprach als Vorsitzender des Kreisbauernverband Havelland e.V. auch für die anderen Landwirte: „Nach vielen Jahren der Dürre hat uns der Regen in diesem Jahr sehr geholfen. Aktuell sind bereits 244,8 Liter Wasser bis Ende Juni gefallen, das ist tatsächlich die Hälfte vom durchschnittlichen Jahresniederschlags. Das Wasser war nur schlecht verteilt. Trotzdem erwarten wir für dieses Jahr endlich wieder eine durchschnittliche Ernte. Das war in den letzten sechs Jahren nicht der Fall.

Er ging auch ins Detail und berichtete von der Agro-Farm in Nauen: „Für die Gerste und die Triticale kam der Regen leider zu spät – wir haben ein Drittel weniger ernten können als üblich. Beim Heu hatten wir hingegen eine Bombenernte, und das auch noch in sehr hoher Qualität. Beim Raps und beim Weizen kam der Regen gerade noch rechtzeitig, auch für unsere Hackfrüchte wie Kartoffeln und Rüben war er ein Segen.“

Dirk Peters nutzte die Gelegenheit einmal mehr, um auf die generellen Probleme der Landwirte hinzuweisen: „Unseren Landwirten geht es schlecht – und daran ist nicht allein das Wasser Schuld. Ohne die ständigen politischen Veränderungen würde es unseren Flächen besser gehen. Sorge macht uns auch die Preisentwicklung. Der Milchpreis befindet sich schon wieder im freien Fall. Wir haben im letzten Jahr abermals 1.000 Milchkühe im Havelland verloren, weil sich der Betrieb nicht mehr lohnt. Jetzt sind nur noch 7.000 übrig. Beim Getreide bekommen wir zurzeit keine Preise von den Händlern. Das habe ich so noch nie erlebt, das ich zu der Zeit im Jahr noch kein Kilo Getreide verkauft habe. Ich persönlich denke, dass die Händler ihre Lager mit Getreide aus der Ukraine gefüllt haben. Die Landhändler sagen mir auch, dass Bioweizen kaum noch vermarktbar ist. Es ist anscheinend noch nicht so, dass die Verbraucher alle Bio kaufen. Insbesondere die Landwirte im Westhavelland, die auf schlechteren Böden wirtschaften müssen, haben große Probleme. Hier steht das Getreide weiß auf den Feldern. Es ist absolut tot und hat keine Ähren ausgebildet.“

Die überbordende Bürokratie, sehr komplizierte Förderregeln, eine sehr restriktive Düngeverordnung und viele weitere Auflagen der Behörden sorgen dafür, dass Dirk Peters die Vermutung äußert: „Man lässt uns Landwirte von Seiten der Bundes- und Landesregierung langsam sterben. Wir Landwirte möchten gern unsere Arbeit so machen, wie wir es einmal gelernt haben.

Ein Problem sind neu ausgewiesene rote Flächen, auf denen nur stark reduziert gedüngt werden darf. Dirk Peters: „Bei manchen Landwirten betrifft das die allerbesten Böden. Dann darf nicht mehr ausreichend Stickstoff gedüngt werden, das Korn bildet weniger Eiweiß – und hat auf einmal nur noch Tierfutterqualität.“

Stefanie Peters von der Agro-Farm Nauen: „Die neue Förderperiode ist da. Die Antragstellung ist aber so schwierig wie noch nie. Viele Landwirte wissen nicht, was sie noch anbauen dürfen oder wie sie eine Förderung beantragen. Früher haben wir eine Schulung besucht, um die Förderanträge zu verstehen, in diesem Jahr brauchten wir vier bis fünf.“

Annette Brockmann: „Es gibt für uns im Betrieb eine Weidetier- und eine Muttertierprämie. Das Regelwerk, das mit dieser Prämie einhergeht, ist allerdings so kompliziert, dass die Anwendung nahezu unpraktikabel wird. So dürfte ich meine Weidetiere und die Muttertiere nicht zusammen auf einer Weide halten.“

Wie kann man da als junger Mensch noch freiwillig den Beruf des Landwirts ergreifen? Stefanie Peters: „Der Beruf des Landwirts ist einfach schön. Ich bin ja so aufgewachsen. Wir haben einen Familienbetrieb, da hängt das Herz dran. Ob ich das aber mal bis zu meiner Rente machen kann, diese Prognose ist schwierig.“ (Text/Fotos: CS)

Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 209 (8/2023).

Der Beitrag Erntegespräch mit Landwirten im Havelland: „Wir wollen unsere Arbeit so machen, wie wir sie gelernt haben!“ erschien zuerst auf Unser Havelland (Falkensee aktuell).


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