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Channel: Seite 384 – Unser Havelland (Falkensee aktuell)
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Es fährt kein Zug nach Irgendwo: Für Bahnreisende ist Endstation im „Theater in der Scheune“!

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Also aktueller kann ein Thema ja schon gar nicht mehr werden, das ein Theater auf die Bühne bringt. Die Schauspieler vom „Theater in der Scheune“ beschäftigen sich in ihrem neuen Stück mit der größten Herausforderung, die ein Mensch in Deutschland in diesen Zeiten noch annehmen kann – eine Fahrt mit der Deutschen Bahn. In „Es fährt kein Zug nach Irgendwo“ strandet eine illustre Truppe Bahnreisender bereits am Abfahrtsgleis: Nix geht mehr!

Einmal im Jahr wird in Schönwalde-Dorf Theater gespielt. Das „Theater in der Scheune“ (www.theater-in-der-scheune.de) nutzt seit vielen Jahren eine urige Scheune als Bühne. Gespielt werden in der Regel humorvolle Komödien und echte Schenkelklopfer: Niemand soll die Scheune ohne ein Grinsen im Gesicht verlassen.

Nach Stücken wie „Admiral a.D.“ (2017), „Die Insel“ (2018), „Stress im Champus Express“ (2019), “ Die Leiche ist nicht totzukriegen“ (2021) und „Miss Sophies Erbe“ (2022) geht die Fahrt durch die humorvollen Drehbücher in diesem Jahr weiter mit der 20. Aufführung „Es fährt kein Zug nach Nirgendwo“. Die Bahnhofs-Komödie in drei Akten stammt von Winnie Abel. Für die Regie war Karla-Veronika Ehl verantwortlich.

Reinhold Ehl vom Kreativ-Verein, der in diesem Jahr die Rolle des gleichnamigen Bahnhofpenners mit stets gezückter Mundharmonika vor dem struppigen Schnurrbart spielt: „Wir haben Ende Januar mit den Proben angefangen. Die Premiere war am 17. Juni. Für uns ist es immer ein gewisses Problem, ein humorvolles Stück zu finden, in dem wir unsere inzwischen 13 Darstellerinnen und Schauspieler unterbringen können. Das Bahnstück hat mich wirklich begeistert, weil es so einen topaktuellen Bezug zur Wirklichkeit hat. Wir haben das Stück sogar noch ergänzt um all die verrückten Meldungen über die Deutsche Bahn, die wir in den Nachrichten gefunden haben. Das kann sich ja kein Autor ausdenken, was sich die Bahn gerade selbst für ein Comedy-Programm leistet. Das Stück ist ja quasi ein genaues Abbild dessen, was da draußen vor unserer Tür gerade los ist.“

Und so freuen sich die Zuschauer darauf, einmal andere Personen leiden zu sehen, die sich auf das Abenteuer Bahn einlassen. Schließlich weiß inzwischen jeder Deutsche, dass der offizielle Fahrplan der Bahn nur eine „unverbindliche Abfahrtsempfehlung mit Gleisvorschlag“ ist. Und dass das Kürzel „DB“ eigentlich nicht für „Deutsche Bahn“, sondern für „Dauerhafte Betriebsstörung“ steht. Frei nach dem Motto: Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen.

Viel Spaß macht es im neuen Stück, nach und nach die Fahrgäste auf der Bühne in Empfang zu nehmen. Bärbel, Thea und Larissa (Renate Weilmann, Angela Wachowiak und Ulrike Engemann) sind vom Kegelverein „Keine Neune“. Sie tragen das pinke Mannschaftstrikot und vertreiben sich in bester Mädelsmanier laut gackernd die Wartezeit mit Sekt aus dem Plastikbecher und Speckschnecken aus dem Thermomix. Victoria (Beate Rintel-Sellenthin) muss ganz dringend zu einem wichtigen Business-Meeting nach Berlin. Sieglinde (Petra Radlmaier-Brenneisen) gibt Selbstfindungs- und Motivationsseminare. Und Christa (Julia Krüger) und ihr stoffeliger Autoschrauber-Ehemann Klaus (Wolfgang Sellenthin) sind zu einer Paarberatung unterwegs, um ihre Ehe zu retten. Hubert (Ralf Herbrich) ist auch dabei. Er wittert hinter dem Wahnsinn der Bahn Methode und betet Verschwörungstheorien herunter: „Haben Sie das Logo der Deutschen Bahn einmal auf den Kopf gestellt? Da sehen Sie ein weinendes Kind. Das ist die Zielvorgabe der Bahn.“ Eine amerikanische Touristin (Doreen Freund) wähnt sich schon im fernen Berlin: „Das habe ich mir aber größer vorgestellt.“

All diese Personen bleiben am Bahnhof von „Schönglien im Walde“ kleben und schaffen es nicht einmal ins nahe Alt-Bötzow. Denn die ständigen Verzögerungsdurchsagen der Bahnsprecherin (Susi Lindemann) wecken Verzweiflung: Es fährt einfach kein Zug nach Irgendwo.

Auf der Suche nach alternativen Beförderungsmitteln kommen die Reisenden nicht nur auf den Esel, sondern sehen durchaus auch einen gewissen Vorteil darin, einen „auf Macke“ zu machen und verrückt zu spielen. Denn im Bahnhofsgetümmel ist eine Verrückte (Hannelore Böse) unterwegs, die Polizist „Korinthenkacker“ Konrad (Winand Steinert) umgehend einfangen und nach Berlin kutschieren soll.

Drei Akte hat das neue Stück, es ist also recht kurz – kürzer als so manche Wartephase auf eine verspätete Bahn. In der Pause gibt es wie gewohnt Schmalzstullen mit eingelegter Gurke und Wein im Gläschen: Beim „Theater in der Scheune“ geht es immer sehr urig und gemütlich zu.

Das neue Stück selbst wird vor allem von den Darstellern getragen, die wieder herrlich aufspielen, köstliche Grimassen schneiden und ganz in ihren kuriosen Rollen aufgehen. Vor allem Ralf Herbrich kann dieses Mal als Verschwörungsschwurbler mit guten Argumenten überzeugen. Allein die Gagdichte („Speckschnecke? Nein Danke, ich habe schon eine geheiratet“) könnte gern noch ein wenig höher sein.

Lustig: Während der Bürgermeister von Schönwalde-Glien noch von einem eigenen Bahnhof träumt, hat das Dorf nun schon einen. (Text/Fotos: CS)

Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 209 (8/2023).

Der Beitrag Es fährt kein Zug nach Irgendwo: Für Bahnreisende ist Endstation im „Theater in der Scheune“! erschien zuerst auf Unser Havelland (Falkensee aktuell).


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