Er gehört zur Weihnachtszeit einfach zwingend mit dazu – ein schöner Butterstollen mit Rum-Rosinen, Orangeat, Zitronat und optional auch mit Marzipan. Viele Konditormeister aus dem Havelland nutzen ihr ganz eigenes Rezept, um den Kunden einen feinen Weihnachtsstollen mit auf den Weg zu geben. Doch beherrschen diese Anbieter ihre Kunst auch tatsächlich? Die Innung des Bäcker- und Konditorhandwerks im Havelland prüft das ausgeübte Handwerk auf Herz und Nieren – und vergibt bei bestandener Prüfung Gütezertifikate zum Aufhängen in der Filiale.
So ein Stollen ist schon etwas Feines, auch wenn er in Sachen Kalorien nicht gerade zu den zurückhaltenden Backwaren zählt. Und trotzdem: Gerade in der Weihnachtszeit gehört es einfach mit dazu, einen schönen Butterstollen aufzuschneiden und sich ein schönes saftiges Stück schmecken zu lassen.
Wie genau die perfekte Rezeptur für einen Butterstollen aussieht, darüber scheiden sich die Geister. Allein auf der Website Chefkoch.de gibt es 476 verschiedene Rezepte für die Zubereitung. Da ist es doch klar, dass auch die Konditormeister aus dem Havelland alle ein ganz eigenes Rezept entwickelt haben. Das bedeutet natürlich auch: Jeder Stollen schmeckt anders.
Da rund um die Stollenfertigung sehr viel traditionelles Handwerk zum Einsatz kommt, hat es sich die zuständige Innung des Bäcker- und Konditorhandwerks im Havelland überlegt, immer zum Beginn der Weihnachtszeit eine sogenannte Stollenprüfung anzubieten.
Rainer Deutschmann, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Havelland (www.handwerkhavelland.de): „Das war eine tolle Idee von unserem Innungsmeister Olaf Kreuschner aus Falkensee, der die Stollenprüfung zusammen mit weiteren regionalen Konditoren vor drei Jahren ins Leben gerufen hat. Die Stollenprüfung ist freiwillig und kostet kein Geld. Sie wird aber mit großem Ernst durchgeführt. Wer sie mit seinem selbstgebackenen Stollen besteht, bekommt ein Zertifikat, das man im Verkaufsraum der Backstube aufhängen kann. Die Stollen werden mit ’sehr gut‘, ‚gut‘ und ‚befriedigend‘ bewertet.“
Am 21. November war es in diesem Jahr wieder so weit. In der Backstube der Konditorei Kreuschner in der Falkenseer Hertzstraße kam es zur dritten Stollenprüfung. Olaf Kreuschner: „Den Vorsitz der Stollenprüfung hatte in diesem Jahr Lars Wenzel von der Konditorei Wenzel aus Falkensee. Ihm zur Seite standen unser Falkenseer Altmeister Helmut Benke, der uns mit seinem Fachverstand auch mit 82 Jahren noch unterstützt, unser Fachberater Sven Mula von der ‚Bäko Hansa‘ und ich als Innungsobermeister.“
Neun Bäcker und Konditoren aus dem Havelland hatten ihre selbstgebackenen Stollen zur Prüfung vorgelegt, darunter auch die Bäckerei und Konditorei Ziehm, die Bäckerei Maschitzki und die Bäckerei und Konditorei Giede aus Falkensee, Meister Möhring aus Rathenow, die Bäckerei Schulze aus Falkenrehde, die Bäckerei Krakau aus Stechow und die Bäckerei Plagemann aus Neuruppin. Olaf Kreuschner: „Lars Wenzel und ich haben mit unseren Stollen ebenfalls an der Prüfung teilgenommen. Natürlich haben wir jeweils unsere eigenen Stollen nicht bewertet.“
Die Stollenprüfung begann mit den klassischen Rosinenstollen. Konditormeister Lars Wenzel bat um absolute Ruhe beim Verkosten: „Wir riechen, wir schmecken, wir hören.“ Mit allen Sinnen wurde die Erfahrung des Stollenessens bewertet.
Aber während ein ganz normaler Konsument vor allem auf seinen eigenen Geschmack hört, wenn es um die Bewertung der Stollen geht, so kommt es bei einer Stollenprüfung der Innung vor allem auf das konkret angewandte Handwerk an.
Die vier Testpersonen durften maximal 100 Punkte für gutes Handwerk in verschiedenen Kategorien vergeben. In der Bewertung ging es um die Form des Stollens, das Aussehen und die Puderzuckerbestäubung, die Oberflächen- und Krusteneigenschaften, die Lockerung und das Krumenbild, die Struktur und Elastizität, den Geruch, den Geschmack und die Verteilung der Früchte.
Lars Wenzel: „Ab 95 Punkten gibt es ein ’sehr gut‘, ab 90 Punkten ein ‚gut‘, ab 80 Punkten ein ‚befriedigend‘. Ein Stollen, der weniger als 80 Punkte hat, fällt durch die Prüfung. Die Stollenprüfung zeigt uns Konditoren übrigens auch sehr gut: Wo stehen wir eigentlich? Man wird ja mitunter betriebsblind.“
Die Prüfer der Jury gingen sehr streng zur Sache. Sie bemängelten mitunter zu viel Salz, das eine oder andere Mal ein zu dominant „vorschmeckendes“ Aroma, eine schlecht umgesetzte Wickeltechnik oder eine asymmetrische Verteilung der Rosinen. Aus den vergebenen Punkten wurde ein Mittelwert gezogen.
Olaf Kreuschner: „Mit der Stollenprüfung möchten wir alte Traditionen neu aufleben lassen. Im sächsischen Raum wird eine solche Stollenprüfung sogar öffentlich direkt auf dem Marktplatz durchgeführt – mit viel Publikum. Für uns im Havelland ist es vor allem auch ein schönes Treffen der regionalen Konditormeister, bei dem wir uns in gemütlicher Runde untereinander austauschen können.“
Tatsächlich wartete auf alle Anwesenden der Stollenprüfung ein leckerer Schmortopf im Ofen, der nach getaner Arbeit gemeinsam bei einem kühlen Bierchen verzehrt wurde.
Aber vor dem Vergnügen musste die Jury noch ordentlich arbeiten. Denn in weiteren Runden wurden auch noch die eingereichten Mohnstollen, Mandelstollen und Spezialstollen verkostet und bewertet. Bei den Spezialstollen gab es tatsächlich Vertreter mit einer Haselnussfüllung, einem Quarkteig, mit Whiskyaroma und mit Cranberry-Innenleben. (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 213 (12/2023).
Der Beitrag Wer schmeckt am besten? Stollenprüfung für Konditormeister im Havelland! erschien zuerst auf Unser Havelland (Falkensee aktuell).