Ganz egal, ob es um Harry Potter, Huckleberry Finn oder Pippi Langstrumpf geht: In Büchern warten die spannendsten Abenteuer auf Kinder, die sich darauf einlassen und Buchstabe für Buchstabe in bunte Welten abtauchen möchten. Noch schöner ist es natürlich, sich tolle Bücher vorlesen zu lassen – etwa von den Eltern. Um dafür zu werben, gibt es seit 2004 den „Bundesweiten Vorlesetag“. Die Falkenseer Geschwister-Scholl-Grundschule hat diesen Tag in diesem Jahr auf besonders ausufernde Weise gefeiert: Jede einzelne Klasse hat eine eigene Vorleserin oder einen Vorleser bekommen.
Ein Buch vermittelt Wissen, entführt in fremde Welten und regt die Fantasie an. Es zeigt aber auch neue Perspektiven auf. Insbesondere für Kinder ist es wichtig, viel zu lesen.
Am besten wecken Eltern die Lust am Lesen, indem sie ihren Kindern selbst Bücher vorlesen. Egal, ob es die „Kinder aus Bullerbü“, „Das Sams“ oder „Der Räuber Hotzenplotz“ sind: Vorlesen ist ein großes Fest der Fantasie, das allein im Kopf stattfindet. Um es zu fördern, haben „DIE ZEIT“, „Stiftung Lesen“ und die „Deutsche Bahn Stiftung“ im gemeinsamen Schulterschluss 2004 den „Bundesweiten Vorlesetag“ (www.vorlesetag.de) ins Leben gerufen. Er findet jedes Jahr im November statt.
Kristina Scheibe ist Rektorin an der Falkenseer Geschwister-Scholl-Grundschule (www.gsg-falkensee.de): „Das Vorlesen hat eine besondere Zauberkraft. Es motiviert nicht nur zum eigenen Lesen, sondern schafft auch einen einzigartigen emotionalen Zugang dazu. Die Kinderaugen unserer Schüler erstrahlen immer besonders, wenn wir Lehrkräfte in den Pausen oder im Unterricht zu einem Buch greifen und der Klasse vorlesen. Es entsteht augenblicklich eine ganz wunderbare Atmosphäre. Das Vorlesen hat im Laufe der Zeit in vielen Familien an Bedeutung verloren. Der ‚Bundesweite Vorlesetag‘ ist eine tolle Möglichkeit, die Vorteile des Vorlesens wieder ins Bewusstsein zu bringen. Denn Vorlesen ist ein ganz bedeutender Teil einer breit aufgestellten Leseförderung und stärkt nebenbei auch die Beziehungsebene. Wir nehmen als Schule bereits seit vielen Jahren am Vorlesetag teil. Und wir freuen uns wirklich ganz besonders, dass wir in diesem Jahr so viele Freiwillige gewinnen konnten wie noch nie. So konnte am 17. November tatsächlich jede einzelne unserer 22 Klassen eine eigene Vorleserin oder einen Vorleser zugewiesen bekommen. Das gab es noch nie. Toll fand ich: Alle Vorleser haben sich ganz besonders viel Mühe bei der Auswahl eines geeigneten Buches gemacht, häufig verknüpften sie damit auch eigene persönliche Erfahrungen und Erinnerungen.“
Zu den Vorlesenden gehörten u.a. Luise Janssen als Beigeordnete und Dezernentin der Stadt Falkensee, der Oberschulrat a.D. Bernd Thiel, der Kunstpädagoge Ingo Wellmann, die „Seniorpartner in School“ Rosi Riese und Karin Störmer, der Schulelternsprecher und Vorsitzende der Schulkonferenz Jonathan Strelow, die stellvertretende Schulelternsprecherin Sina Dober, die Schulsachbearbeiterin Ulrike Koser und der Polizist PHM Siebenäuger.
Auch Roger Lewandowski, Landrat vom Landkreis Havelland, hatte ein Buch mitgebracht, um es den Kindern vorzulesen: „Ich habe mich für das Buch ‚Gefangen im alten Rom‘ von THiLO entschieden. In dem Buch werden Kinder im Rahmen einer Zeitreise ins alte Rom verschlagen und versuchen nun, das Leben eines Gladiatoren zu retten. Ich habe das Buch damals für meine Kinder gekauft. Sie waren ganz begeistert. Auch weil es ein Buch ist, bei dem es darum geht, mitzumachen. Es gibt immer wieder Stellen im Buch, da gilt es, Entscheidungen zu treffen, die beeinflussen, wie es in der Geschichte weitergeht.“
Der Landrat liest selbst auch noch immer sehr gerne: „Wenn ich die Zeit finde, lese ich vor allem historische Sachbücher. Ich lese aber auch gern alte Bücher, die tatsächlich sehr alt sind, um herauszufinden, wie die Menschen in der Vergangenheit die Welt um sich herum wahrgenommen haben. Das ist für mich immer sehr spannend, wenn man aktuelle Literatur zum gleichen Thema liest, wie unterschiedlich die Menschen damals und heute bestimmte Dinge bewertet haben.“
Der Landrat ist der Meinung, dass die Eltern niemals aufhören sollten, ihre Kinder zum Lesen zu animieren. Roger Lewandowski: „Heute nehmen uns die digitalen Medien ganz viel ab. Sie unterhalten uns, regen aber die Fantasie nicht mehr an, weil sie ja ganz genau zeigen, wie ferne oder erfundene Welten aussehen. Lesen ist ein wichtiger Beitrag dafür, dass die eigene Fantasie erhalten bleibt und dass man auch das kreative Denken nicht verlernt. Eltern sollten ihren Kindern viel aus Büchern vorlesen, sie aber auch immer dazu animieren, selbst zu lesen.“
Zu den Vorlesern in der Geschwister-Scholl-Grundschule zählte auch Thomas Zylla, Beigeordneter und Dezernent der Stadt Falkensee: „Ich habe für die Kinder das Buch ‚Die Bibliothek der Geister – Der magische Schlüssel‘ von D. J. MacHale mitgebracht. Das ist eine Gruselgeschichte für Kinder, die glaube ich ganz gut zu der mir zugewiesenen Altersstufe gepasst hat. Ich habe als Kind in der DDR sehr gern und auch sehr viel gelesen. Damals gab es so kleine Märchenbücher, die habe ich alle gesammelt und verschlungen. Auch Wilhelm Busch habe ich gern gelesen. Karl May war hingegen nicht meins.“
Thomas Zylla liest auch heute noch sehr gern: „Heute geht es bei mir aber vor allem um Sachbücher. Hier interessiert mich die Kosmologie sehr. Natürlich habe ich ‚Eine kurze Geschichte der Zeit‘ von Stephen Hawking gelesen. Zu Einsteins Zeiten, also in der Gründerphase, gab es aber auch in der Sowjetunion viele Kosmologen, die schlaue Bücher geschrieben haben. Hier gibt es einige gute Übersetzungen.“
Thomas Zylla wurde in seiner Vorleseklasse sogar selbst zum Forscher: „Ich habe die Kinder befragt, wie es denn bei ihnen Zuhause mit dem Lesen aussieht. In der sechsten Klasse ist das ja gar nicht mehr so wahrscheinlich, dass den Kindern noch immer vorgelesen wird. Aber erstaunlicherweise ist das bei etwa der Hälfte der Kinder tatsächlich noch immer der Fall. Zwar nicht täglich, aber noch immer regelmäßig. Manche Kinder werden sogar selbst zu Vorlesern – etwa für die jüngeren Geschwister.“
Beeindruckend: 16 Schülerinnen und Schüler der Falkenseer Gesamtschule Immanuel Kant schlüpften ebenfalls in die Rolle eines Vorlesers. Lena Ortleb (19) war selbst einmal Schülerin der Geschwister-Scholl-Grundschule: „Ich habe für die Kinder das Buch ‚Advent, Advent, der Kuchen brennt‘ von Sabine Zett mitgebracht. Das habe ich selbst als Kind von meinen Eltern zu Weihnachten geschenkt bekommen. Ich habe das damals geliebt, weil es in dem Buch um eine echt chaotische Weihnachtszeit geht. Heute lese ich vor allem Poesie oder Philosophie, weil mich das einfach total interessiert. Den Vorlesetag finde ich sehr wichtig. Ich bin auch schon an der Immanuel-Kant-Schule Lesepatin, meist für eine Grundschule in Schönwalde-Glien. Da besuchen wir die Schule und lesen den Schülern etwas vor oder helfen ihnen bei den Deutschhausaufgaben.“
Alle Vorleserinnen und Vorleser sorgten wenigstens eine komplette Schulstunde lang dafür, dass die Kinder ganz konzentriert einer Geschichte lauschen konnten. Für diese Alternative zum klassischen Mathematik- oder Deutschunterricht gab es von den Kindern viel Applaus.
Rektorin Kristina Scheibe: „In unserer Schule herrschte an diesem Vorlesetag eine ganz besondere und glückliche Atmosphäre. Viele Kinder haben sich von den Vorlesenden sogar noch Buchtipps geben lassen – ein tolles Zeichen dafür, dass das Lesen an diesem Tag einen extra Schub erhalten hat. Als Schulgemeinschaft sind wir sehr dankbar, dass so viele Vorleserinnen und Vorleser unserer Einladung gefolgt sind und unseren Kindern wertvolle Vorlesezeit geschenkt haben. Auch die Vorlesenden waren glücklich und zufrieden, bemerkten sie doch ebenfalls, welche Bedeutung und Zauberkraft das Vorlesen hat. Wir werden uns jedenfalls auch im kommenden Jahr wieder sehr dafür einsetzen, viele Gäste dazu zu motivieren, ihre Lieblingskinderbücher mitzubringen, um den Schülerinnen und Schülern unserer Schule erneut eine besondere Vorlesefreude zu machen.“ (Text: CS / Fotos: CS, KS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 213 (12/2023).
Der Beitrag Großer Vorlesetag in der Geschwister-Scholl-Grundschule in Falkensee: Hört alle gut zu! erschien zuerst auf Unser Havelland (Falkensee aktuell).