Im Wald wächst die grüne Lunge der Erde, die Bäume produzieren Sauerstoff und binden CO2. In ihrem Holz wachsen seltene Käfer heran. In ihrem Schatten leben Wildschweine und Rehe. Die Jäger, die sich in ihrem Revier um den Wald kümmern, stellen seit Jahren eine zunehmende Vermüllung fest. In diesem Jahr packten über 200 Jägerinnen und Jäger bereits zum 26. Mal gemeinsam an, um ein Wochenende lang menschlichen Müll aus dem Forst zu holen. Das Ergebnis der Aktion wurde am 14. April in Etzin bekannt gegeben.
Im Jagdverband Nauen e.V. (www.jagdverband-nauen.de) sind 432 Mitglieder organisiert, darunter 57 Frauen. Mitglied in dieser besonderen Ineressensvertretung sind vor allem Jägerinnen und Jäger, die auf dem Gebiet des Altkreises Nauen wohnen oder jagen. Sie sind damit vor allem im östlichen Havelland aktiv.
Für jemanden, der für sich selbst in Anspruch nimmt, für die Hege und Pflege der Natur einzustehen, ist es natürlich ein Dorn im Auge, wenn im eigenen Pachtgebiet Müll im Wald liegt. Aus diesem Grund haben die Jäger im Jahr 1998 eine eigene Müllsammelaktion mit dem Namen “Sauberer Wald – saubere Flur” ins Leben gerufen, die in diesem Jahr bereits zum 26. Mal stattgefunden hat. Gesammelt wurde in diesem Jahr übrigens am 13. und am 14. April. Am Sonntag, den 14. April, kamen die Vertreter vom Jagdverband mit Vertreter der Politik auf dem Hof von Frank Zöllner in Etzin zusammen, um über die aktuellen Sammelergebnisse zu sprechen. Frank Zöllmer ist selbst Landwirt und Jäger. Auf seinem Grund und Boden stand einer von insgesamt zwölf Containern, die der Landkreis Havelland zur Verfügung gestellt hatte, um den eingesammelten Müll abzuladen und dann auch im weiteren Verlauf abzutransportieren. Weitere Container standen u.a. in Tietow, Börnicke, Paulinenaue, Ribbeck, Wachow, Wustermark und Brieselang.
Für den Jagdverband Nauen e.V. übernimmt der Weidgenosse Detlef Rachmatulla die Organisation der Müllsammelaktionen. Er sagte: “Von 1998 bis 2023 haben wir Jäger 3.769 Kubikmeter Müll und 4.640 Reifen aus der Natur geholt. Wir leisten damit unseren Beitrag dafür, die Natur sauber zu halten – und es ist kein unerheblicher Beitrag. Allein hier im Bereich Ketzin waren 45 Jägerinnen und Jäger an der Aktion beteiligt.”
Das Wochenende, an dem die Jäger einmal ohne Flinte in den Wald aufbrechen, wird übrigens immer schon im Vorfeld auch mit dem Landkreis abgesprochen. Frank Wilke, 1. Vorsitzender im Jagdverbauen Nauen e.V.: “Am 16. April beginnt bei uns die Jagdsaison. Unsere Sammelaktion starten wir immer vorher. Wichtig ist uns dabei: Wie sieht es mit der aktuellen Bodensituation aus? Wir müssen früh im Jahr starten, bevor der Müll von den Pflanzen überwachsen wird. Die Jäger sammeln übrigens alle sehr individuell. Ich zum Beispiel sammle oft schon vor und lagere den Müll erst einmal auf meinem Hof, um ihn dann zum Stichtag in den Container zu werfen.”
Michael Koch war als Vertreter vom Landkreis Havelland bei der Verkündung des aktuellen Sammelergebnisses mit dabei: “Wir legen großen Wert darauf, dass wir den genauen Termin der Müllsammelaktion im Vorfeld nicht öffentlich bekannt geben. Wir möchten nicht, dass die Bürger auf die Idee kommen, ihren Müll extra zum Zeitpunkt X in den Wald zu fahren, weil sie wissen, dass sich bald jemand um die Entsorgung kümmern wird. Im Jahr 2022 haben wir vom Landkreis 554 Tonnen herrenlosen Müll aus dem Wald geholt, im Jahr 2023 waren es 421 Tonnen. Hier lässt der Corona-Effekt langsam nach. Während der Pandemie haben viele Menschen ihren Haushalt entrümpelt und den Müll dann zum Teil in den Wald getragen.”
Detlef Rachmatulla: “In den ersten 10 bis 15 Jahren unserer Sammelaktion haben wir vor allem Altlasten aus der DDR-Zeit aus den Wäldern geholt. Jedes Dorf hatte damals so eine inoffizielle Müllecke im Wald, wo sperriger Müll einfach in die Natur geworfen wurde. Heute haben wir es weniger mit der einzelnen Rotweinflasche zu tun, die jemand in den Wald geworfen hat. Stattdessen gibt es regelrechte Hotspots, an denen regelmäßig Gewerbemüll abgeladen wird. Ganze LKW-Ladungen werden da in Autobahnnähe abgekippt.”
Das bestätigt auch Michael Koch vom Landkreis, der im Dezernat III für die Themen “Ordnung und Sicherheit, Umwelt, Landwirtschaft und Veterinärwesen” verantwortlich ist: “Das trifft wegen der Berlin-Nähe vor allem auf das Ost-Havelland und weniger auf das West-Havelland zu. Der Gewerbemüll fällt entlang der Autobahn auf, aber auch im direkten Umfeld der Mülldeponie Schwanebeck. Da bekommen die Entsorger anscheinend einen Preis genannt, möchten ihn nicht bezahlen und entsorgen ihren Müll dann lieber in der Natur.”
Margarita Stark hat genau dort einen Begehungsschein als Jägerin: “Man kann es sich nicht vorstellen, was wir dort schon aus der Natur herausgeholt haben.”
Detlef Rachmatulla: “Reifen, Sondermüll, Schrott und auch das eine oder andere 200-Liter-Fass mit unbestimmbaren Flüssigkeiten stellen wir inzwischen neben die Container. Das melden wir separat, sodass der Landkreis einen für diese Entsorgung vorgesehenen LKW schicken kann. In diesem Jahr gibt es auch eine neue Vorgehensweise bei uns, was Asbest und Bitumen-Dachpappen anbelangt. Diesen Sondermüll fassen wir nicht mehr an, sondern melden dem Landkreis die GPS-Koordinaten. Der Landkreis kümmert sich anschließend um die fachgerechte Entsorgung, ohne dass jemand seine Gesundheit riskieren muss.”
Claus Zidek, stellvertretender Vorsitzender und Obmann von Lernort-Natur im Jagdverband Nauen e.V.: “Müll ist leider magnetisch. Liegt irgendwo im Wald schon etwas herum, fällt es den Leuten leichter, ihren Müll dazuzulegen. Wir müssen aber erst eine Anzeige erstatten und dürfen den Müll regelkonform erst dann entsorgen, wenn das Verfahren eingestellt wurde. Die Firmen wissen leidewr, dass ihnen kaum einmal etwas passiert. Viele fahren mit der Idee in den Wald: Hinten abladen, vorne flüchten. Erst letztens haben wir wieder viele Mülltüten voller Dämmwolle gefunden.”
Michael Koch: “Eine ganz wichtige Botschaft ist diese: Die Entsorgung des Mülls, der im Wald und an den Autobahnen abgeladen wird, die zahlen wir alle. Die Kosten, die dem Landkreis entstehen, werden nämlich 1:1 auf die allgemeinen Müllentsorgungskosten umgelegt. Die Aufklärungsquote bei der illegalen Müllentsorgung im Wald liegt leider nur bei drei Prozent. Oft kommen wir nur an einen Verantwortlichen heran, wenn sich Indizien im Müll finden, die auf den Verursacher hinweisen.”
Denn was viele nicht wissen: Wer eine Fremdfirma damit beauftragt, Bauschutt oder auch den Sperrmüll aus einer Wohnungsauflösung zu entsorgen, gibt die Verantwortung für den Müll nicht an das Unternehmen ab, sondern bleibt weiterhin voll haftbar.
Claus Zidek: “Man kann es deswegen nicht oft genug sagen: Die Auftraggeber bleiben in der Haftung. Es ist wirklich extrem wichtig, dass man vom beauftragten Entsorgungsträger einen sogenannten Entsorgungsbescheid einfordert. Dieser Entsorgungsbescheid beweist allein schwarz auf weiß, dass der Müll ordnungsgemäß an die entsprechenden Deponien oder Verwerter weitergereicht wurde.”
Doch nun zum Ergebnis der Sammelaktion der 233 Jäger für das Jahr 2024. Detlef Rachmatulla: “An den zwölf dezentralen Containerstandorten haben wir in diesem Jahr wieder 149 Kubikmeter Müll gesammelt. Hinzu kamen 262 Reifen von Autos oder Traktoren. An neun von zwölf Containerstandorten wurde außerdem wieder Sondermüll angeliefert.
Positiv ist zu vermerken, dass kaum noch giftige Autobatterien im Wald entsorgt werden. Das gilt auch für den Metallschrott, der sich anscheinend gut gegen Geld bei den regionalen Schotthändlern veräußern lässt.
Frank Wilke: “Die Entsorgung von gewerblichem Müll hat auch in diesem Jahr deutlich zugenommen und ist im Ausmaß beunruhigend bis erschütternd. Hier agieren offensichtlich ‘schwarze Schafe’, die zur Gewinnoptimierung die Baumüllentsorgung illegal in der Umwelt vornehmen. Es wird auch immer wieder in merklicher Menge Folie gefunden, die weit in die Landschaft verweht wird. Diesen Sachverhalt sehen wir sehr kritisch, weil so absehbar Mikroplastik in die Umwelt gelangt.”
Margarita Stark machte noch einmal deutlich, dass die Jäger nicht nur an einem Wochenende den Müll im Auge haben: “Wir sammeln im Grunde genommen das ganze Jahr und entsorgen das auf eigene Kosten. Die Jagd bedeutet für uns auch, die eigene Umwelt zu schützen.”
Frank Wilke: “Es handelt sich hier um ein privates und persönliches Engagement unserer Mitglieder. Wir sind stolz: Wer bekommt bei einer Saubermachaktion schon über 200 Menschen in Aktion?”
Detlef Rachmatulla: “Wir haben schon einmal einen kompletten LKW im Wald gefunden, der bis unters Dach mit verschimmelten Döner-Broten beladen war. Ein anderes Mal hatte jemand über 300 Reifen im Wald abgeladen.”
Klar wurde im Gespräch, dass es neuralgische Punkte im Wald gibt, die immer wieder genutzt werden, um dort im großen Stil Müll abzuladen.
Eingeladen waren zur Verkündung des diesjährigen Sammelergebnisses auch Vertreter der regionalen Politik, die sich im aktuellen Wahlkampf um einen Platz im Landkreis oder in den kommunalen Gremien bemühen. Alle Parteivertreter waren sich einig, dass die absichtliche Vermüllung der Natur ein Unding ist und dass Maßnahmen ergriffen werden sollten. Es ging etwa darum, einen Runden Tisch einzuberufen, Kameras aufzuhängen und ein Exempel zu statuieren.
Claus Zidek: “Unsere Wildkameras sind inzwischen so gut, dass wir sie durchaus verwenden könnten, um Punkte im Wald zu überwachen, die häufig angesteuert werden, um illegal Müll zu entladen. Der Datenschutz sagt aber ganz klar, wir dürfen es nicht. Tun wir es trotzdem, begehen wir eine Straftat.”
Michael Koch: “Ich appelliere an Land und Bund, den Behörden auch die Instrumente zur Verfügung zu stellen, die nötig sind, um Umweltstraftätern habhaft zu werden. Ich bin selbst ein großer Fan vom Datenschutz, aber nicht, wenn höhere Güter wie unsere Umwelt in Gefahr sind.”
Detlef Rachmatulla zeigt sich generell frustriert: “Seitdem wir unsere Säuberungsaktionen machen, bekommen wir aus der Politik Vorschläge, was man doch alles unternehmen könnte, um das Problem Müll in den Griff zu bekommen. Versprechungen habe ich viele gehört. Es ist aber im Anschluss nur sehr wenig passiert, mit dem wir auch etwas anfangen können.”
Im Anschluss an das Treffen kam einmal mehr der klare Wunsch der Jäger auf, in Entscheidungen der Politik mit eingebunden zu werden. Detlef Rachmatulla: “Wir sind täglich im Wald, wir haben unsere Erfahrungen und wir verfügen über ein einzigartiges Spezialwissen. Nur werden wir weder gehört noch befragt, wenn Entscheidungen getroffen werden, die uns direkt angehen. Da schütteln wir ob der Entscheidungen oft nur mit dem Kopf und sagen: Das bringt doch gar nichts. Es wäre gut für alle, wenn wir von der Basis ebenfalls nach einem Lösungsansatz gefragt werden.”
Konkret ging es etwa um die Bejagung von Neozoen, also von Tierarten, die bei uns in Deutschland nicht heimisch sind, die aber zunehmend in die Wälder einwandern. Waschbär und Marderhund werden deswegen aktiv bejagt. Frank Wilke: “Bei der Bejagung von Waschbär und Marderhund wurde uns aber der Einsatz von Totschlagfallen verboten, nun sollen die Neozoen Nutria und Bisam aus dem Jagdrecht herausgenommen werden. Das ist wenig hilfreich. Damit wird eine Chance verpasst, diese Populationen zusätzlich zu begrenzen.” (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 218 (5/2024).
Der Beitrag 149 Kubikmeter Müll und 262 Reifen: Müllsammelaktion 2024 vom Jagdverband Nauen e.V.! erschien zuerst auf Unser Havelland (Falkensee aktuell).