Der Landkreis Havelland hatte gerufen und 50 Gäste waren der Einladung gefolgt, am 1. Oktober in Schloss Ribbeck einen Festakt zum Thema „30 Jahre Deutsche Einheit“ zu begehen. Mit gebührendem Abstand lauschten die Gäste einer sehr informativen und unterhaltsamen Gesprächsrunde, die im großen Festsaal des Schlosses eingeläutet wurde.
Barbara Richstein fand als Vizepräsidentin des Landtags passende Worte: „Ich bin sehr dankbar, dass vor 30 Jahren mutige Menschen auf die Straße gegangen sind, sonst wäre ich heute nicht hier im Havelland – und ich bin sehr gerne hier. 30 Jahre sind auch eine echte Wegmarke. Eine ganze Generation ist in dieser Zeit herangewachsen, die ein geteiltes Deutschland gar nicht mehr kennt. Das sind Deutsche oder besser noch: Europäer.“
Landrat Roger Lewandowski wurde anschließend gefragt, ob er sich denn noch erinnern könne, wie er den Tag der Deutschen Einheit vor genau 30 Jahren erlebt habe: „Ich habe damals als West-Berliner versucht, zum Reichstag zu gelangen. Aber es gab kein Durchkommen. Wir bogen vor dem Brandenburger Tor ab und fuhren dann mit der S-Bahn zum Bahnhof Tiergarten. Hier hatten wir einen guten Blick.“
Auch an den Mauerfall am 9. November 89 konnte sich der Landrat noch gut erinnern: „Ich lag mit hohem Fieber im Bett. Ich dachte erst, im Fieberwahn zu sein. Sollte die Mauer wirklich durchlässig sein?“
Dr. Burkhard Schröder war zu der Zeit auf der anderen Seite der Mauer tätig. Er erinnert sich: „Wir hatten abends noch die Nachrichten gesehen und konnten das nicht so richtig einordnen. Wir dachten, gehen wir mal schlafen und gucken uns das morgen an. Am Morgen kamen dann die Bilder aus Berlin. Alles lag lahm. Ich habe in einem Rechenzentrum vor der Glienicker Brücke gearbeitet und meinen Leuten gesagt: Macht Schluss, geht nach Hause. Wir sind dann von Falkensee aus mit dem Trabi losgefahren nach Berlin, aber schon an der Heerstraße sind wir im Verkehr erstickt. Mit der S-Bahn fuhren wir nach Neuköln und haben die Familie besucht.“
Als Charlottenburger fühlte sich Roger Lewandowski von der Mauer vor ihrem Fall nicht wirklich eingesperrt: „West-Berlin war groß, Charlottenburg lag mitten im Zentrum. Da hat man die Mauer im Alltag nicht wirklich wahrgenommen. Wir hatten aber Verwandte in der Lüneburger Heide. Der Weg durch die Zone mit dem Auto war – beklemmend. Mein Vater war Stadtrat, da mussten wir bei allen Reisen gleich eine Stunde Schikanen an der Grenze einplanen. Man fühlte sich auf dem ganzen Weg durch die Zone nie wohl. Man wusste nicht, was passiert da mit einem? Einmal war ich mit meinem ersten Auto unterwegs, einem alten VW Käfer, der fuhr maximal 80 km/h. Da wurde ich im Transit angehalten, ich sei 120 gefahren und sollte 100 Mark bezahlen. Ich erzählte, dass der Wagen gar nicht so schnell fahren könne. Da hieß es dann, jetzt kostet es schon 150 Mark, und wenn ich noch eine Anmerkung hätte, würde es noch teurer werden. Man hatte das Gefühl, ausgeliefert zu sein.“
Dr. Burkhard Schröder wurde zu den gern zitierten Worthülsen „Jammerossi“ und „Besserwessi“ befragt: „Über dieses Thema kann man einen ganzen Abend referieren und das auch sehr gehaltvoll. Die beiden Worte sind Schablonen, die inzwischen verwaschen sind, aber auch nicht ganz verschwunden sind. Und das hat Gründe. Im Osten haben viele hochintelligente Menschen durch den Strukturwandel ihre Arbeit verloren. Und damit oft auch das Selbstwertgefühl. Diese Begriffe verwaschen sich aber mit der nächsten Generation. Bis dahin muss man klar sagen, dass es auch besserwissende Ossis und jammernde Wessis gibt.“
Die nächste Generation sieht auch Roger Lewandowski unbedarft aufwachsen: „Bei meinen eigenen Kindern merke ich, dass Ost und West keine Rolle mehr spielt. Die fühlen sich als Gesamtdeutsche oder als Brandenburger oder als Havelländer.“
Die beste Antwort hielt der Landrat auf die letzte Frage des Abends bereit: „Können Sie uns den typischen Havelländer beschreiben?“ Da breitete Roger Lewandowski die Arme aus und wies ins Publikum: „Gucken Sie uns an.“
Nach dem offiziellen Programmteil wechselten die geladenen Gäste in den Schlossgarten. Hier hatte man eine Fotoausstellung zum Thema „30. Jahrestag der Deutschen Einheit“ vorbereitet, die die Entwicklung des Landkreises Havelland auf 16 bebilderten und mit Text versehenen Stelen veranschaulichen soll. Die Bürgermeister und Politiker aus der Region halfen nach einem Kommando des Landrates dabei, die schützenden Tücher von den Stelen zu ziehen – und erlaubten es so den ersten Besuchern, die Tafeln in Augenschein zu nehmen.
Auf den Tafeln ziehen die fünf amtsfreien Städte, die fünf amtsfreien Gemeinden sowie die drei Ämter des Landkreises ein Fazit zum Thema „30 Jahre Einheit“. Falkensee weist so zum Beispiel auf den Mauerfall hin, der die Stadt endlich wieder an das nahe Berlin angebunden hat. Andere Orte widmeten sich anderen Themen. Zu Fotos und Texten gesellt sich auch noch der Ton: Per Knopfdruck können Besucher den ganzen Oktober lang weitere gesprochene Informationen abrufen.
„Wir laden alle Havelländer und auch Gäste des Havellandes ein, sich mit der Ausstellung auf eine kleine Entdeckungsreise durch unser Havelland zu begeben“, sagte Landrat Roger Lewandowski. „Die Fotoaufnahmen zeigen, wie positiv sich der Landkreis in den vergangenen 30 Jahren entwickelt hat.“ (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „FALKENSEE.aktuell – Unser Havelland“ Ausgabe 176 (11/2020).
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