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Channel: Seite 384 – Unser Havelland (Falkensee aktuell)
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Forschungsprojekt Klimabäume: Auf der Suche nach klimaverträglichen Straßenbäumen!

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Der Klimawandel ist längst auch in den Straßen der Großstädte angekommen. Die Bäume, die am Straßenrand für eine deutliche Verbesserung des innerstädtischen Klimas sorgen, leiden zunehmend unter den hohen Temperaturen im Sommer, dem ausbleibendem Regen und dem Streusalz im Winter. Das Projekt Trees4­Streets hat sich deswegen auf die Suche nach einheimischen Bäumen gemacht, die besser mit dem veränderten Klima zurechtkommen.

Wie kann es den Bäumen etwa an Berlins Straßen denn schlecht gehen, wenn alle Blätter doch noch grün sind? Aber auch beim Menschen ist es so, dass die Atmung erst direkt vor dem nahenden Tod aussetzt. Das bedeutet: Nur weil ein Baum grün ist, muss es ihm noch lange nicht gut gehen.

Da die steigenden Temperaturen bei gleichzeitiger Trockenheit den deutschen Straßenbäumen deutlich zusetzen und sie in einen gefährlichen Dauerstress versetzen, ist guter Rat teuer.

Eine Strategie ist es, einfach Bäume aus südlichen Ländern zu importieren, die viel besser mit dem neuen Wetter zurechtkommen, weil sie es schon „von Zuhause kennen“. Allerdings sind diese Bäume in der Regel nicht auf den deutschen Frost vorbereitet.

Einheimische Straßenbäume sind in der Regel gepropft. Das bedeutet, dass der Stamm und die Krone eines Straßenbaums auf einer artfremden Wurzel aufsitzen. Was unter normalen Bedingungen viele Vorteile bringt, vor allem, was die Wuchshöhe des Baumes anbelangt, könnte bei veränderten Rahmenbedingungen für Probleme sorgen: Wurzel und Krone rea­gieren aufgrund ihrer unterschiedlichen genetischen Herkunft mitunter verschieden auf Trockenheit und Hitze. Überspitzt gesagt: Was nützt demnach die klimatolerante Krone, wenn dafür aber die Wurzel bei Trockenheit sehr schnell verkümmert?

Aus diesem Grund wurde bereits vor einigen Jahren das Verbundprojekt „Selektion, Prüfung und Anzucht von wurzelechten und klimaangepassten Straßen- und Alleebaumsortimenten für die Baumschulproduktion (Trees4Streets)“ in Angriff genommen, das von der Europäischen Innovationspartnerschaft „Landwirtschaftliche Produktivität und Nachhaltigkeit“ und dem Land Brandenburg gefördert wurde. Dieses auf sechs Jahre angesetzte Projekt wurde in diesem Jahr beendet.

Die Humboldt-Universität zu Berlin, das Landeskompetenzzentrum Forst Eberswalde sowie die Baumschulen Lorberg, Nauen und Sämann gingen eine Forschungsallianz ein, um sich auf die Suche nach klimaangepassten Straßenbäumen zu machen.

Am 10. Oktober stellten die Beteiligten die Ergebnisse ihrer Arbeit auf dem Gelände der Baumschule Lorberg in Tremmen vor. Hanno-Friedrich Leight, Verkaufsleiter von der Baumschule Lorberg fand gleich die passenden Worte: „Die Jagd auf den klimaneutralen Straßenbaum hat begonnen. Unser Forschungsvorhaben geht Zu Ende, das gilt aber nicht für den Bedarf. Ganz im Gegenteil: Das dritte trockene Jahr ist vorrüber. Die Relevanz ist da. Die Nachfrage nach widerstandsfähigen Gehölzen für den städischen Raum steigt auch bei uns in der Baumschule deutlich.“

Die Idee hinter dem Projekt war es, in Berlin und einigen anderen Städten nach Straßenbäumen zu suchen, die es geschafft haben, sich in den letzten Jahrzehnten gegen Witterungsextreme zu behaupten. Diese durch natürliche Selektion herauskristallisierten botanischen Bollwerke gegen den Klimawandel hat man gefunden – und um kleine Proben mit Wachstumsknospen erleichtert.

Eiche, Buche, Linde, Platane und viele weitere Baumarten: Aus den Proben entstanden in den Laboren der Humboldt-Universität genetisch identische Minibäumchen, die „in vitro“ im Erlenmeyerkolben herangezogen wurden. Sie ließen sich im Wachstum immer wieder teilen, um die Anzahl der Trieblinge zu erhöhen. Ziel war es, wurzelechte Gehölze zu erzeugen, die durch physiologische Frühtests auf Trocken-, Salz-, Hitze- und Spätfrosttoleranz getestet werden können.

Antje Schüttig von der Humboldt-Universität: „Jede Orchidee kommt inzwischen aus einer In-vitro-Umgebung. Bei Hochstämmen ist das Verfahren aber noch ganz neu. Auch in den Baumschulen kommt das bislang selten zum Einsatz, die arbeiten eher konservativ. Wir hatten auch echte Schwierigkeiten, die Bäume ins Glas zu bekommen. Wir haben deswegen für jede Baumart eigene Kulturprotokolle entwickelt. Auf dieser Arbeit kann nun natürlich aufgebaut werden.“

Professor Dr. Ralf Kätzel vom Landeskompetenzzentrum Forst Eberswalde (LFE) hat sich mit seinem Team vor allem um die wissenschaftliche Analyse der Stresswerte gekümmert: „Wir können wir den Baum fragen, wie es ihm geht, bevor er abstirbt?“

Dazu wurden die kleinen Pflanzen verschiedenen Stresssituationen ausgesetzt, anschließend in flüssigen Stickstoff getunkt, gemahlen und analysiert: „Wir konnten messen, wie viele Stressgene in bestimmten Situationen eingeschaltet und wie viele andere Gene in der gleichen deaktiviert wurden. Der Nachweis gelingt hier über bestimmte Biomarker. Ein Pro­blem war es für uns, dass wir so wenig Biomaterial hatten. Da blieb nach dem Mahlen kaum etwas für die Analyse übrig.“

Aber: Das neue Verfahren erlaubte es, stresstolerante Baumsorten zu identifizieren und mittels der In-vitro-Kultur auf eigener Wurzel in großen Mengen zu produzieren. Bislang erfolgte ein solcher Selektionsprozess über Generationen von Bäumen hinweg doch sehr langfristig.

Die kleinen Minibäumchen kamen zur Familie Hohbohm von den Baumschulen Nauen. Ihre Aufgabe war es, sie zu kleinen Stämmen aufzuziehen. Margarethe Hobohm: „Wir haben die Pflanzen bekommen und in der Baumschule weiterkultiviert. Die Bäume haben sich ausgesprochen gut entwickelt – und das, obwohl wir in einem Sommer so eine Hitze hatten, dass wir in zehn Zentimetern Tiefe noch 57,5 Grad in der Erde gemessen haben. Nach anderthalb Jahren hatten wir bereits schöne Jungbäume in einer schönen gleichmäßigen Qualität – echte Baumschulware.“

Die Jungbäume kamen anschließend nach Tremmen in die Baumschule Lorberg. Hier stehen sie noch immer, einige sind über zwei Meter hoch – und warten auf ihren Einsatz. Hanno-Friedrich Leight: „Die ersten Bäume werden noch in diesem Herbst in Eberswalde, in Berlin und im Rahmen des Alleenprojektes Müncheberg ausgepflanzt. Wir werden in den kommenden Jahren sehen, wie sich unsere Bäume entwickeln. Ich hoffe gut, denn unsere Alleen schmelzen dahin wie Schnee in der Sonne.“

Die Frage wird also in der Zukunft lauten: Hat Trees4Streets Erfolg? Kommen die selektierten und „in vitro“ vermehrten wurzelechten Bäume besser mit dem sich verändernden Klima zurecht? Wird es eine wirtschaftliche Nachfrage nach diesen Bäumen geben? (Text/Fotos: CS)

Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 200 (11/2022).

Der Beitrag Forschungsprojekt Klimabäume: Auf der Suche nach klimaverträglichen Straßenbäumen! erschien zuerst auf Unser Havelland (Falkensee aktuell).


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